Hyères 40 – Les Défilés 1

Hyères 40 – Les Défilés 1

40. Festival de Mode, de Photographie et d‘Accessoires de Mode, Hyères, Oktober 2025

Défilé für den Grand Prix du Jury Première Vision, Prix du public, Prix le19M des métiers d’art, Prix Supima

Text und Bilder: Gerhard Paproth

 

Das Défilé der Wettbewerber für Mode ist das Highlight des Festivals und da statt zwei nur noch eines stattfand, waren die Sitzplätze begehrter als ohnehin schon immer. Abgesehen vom Verzicht auf die künstlerische Ausgestaltung der Riesenscheune und gefühlt weniger Shuttlebussen zur abgelegenen Location  wurde an der Veranstaltung selbst offenbar weiter nicht gespart – das wäre auch eine erhebliche Beschädigung des Formates gewesen. Denn mit diesem Format wird hier der Stand des ganz jungen Modedesigns treffender als irgendwo anders vorgeführt. Und das immerhin mit internationaler Beteiligung.

Auffällig war, dass der Gendermix mehrfach so prägnant daherkam, dass die Zielgruppen Hommes-Femmes-Unisex für das Erscheinungsbild der Models manchmal nur eine geringe Rolle spielten und dass dies gerade bei den Kollektionen Hommes schon im Konzept selbst revolutionär angelegt war (besonders bei Layla Al Tawaya). Für junge Modemacherinnen ist das ein reizvolles kreatives Experiment, in dessen Folge das Rollenbild für Männer mit Mode total über den Haufen geworfen wird. Bei Noah Almonte ist das – in Umkehrung –  eher schon in der Tradition von Männerspezifika (Kravatten, Hemden, strenge Linien etc.) in Übertragung auf Frauen; das mutet zwar nicht mehr ganz so neu an, wird aber durchaus neu getestet. Und Dennis Sanders liefert mit dem Kollektionstitel „The Standard Man“ schon einen ironischen Hinweis auf die gestalterischen Klischees.
Die ästhetischen Formulierungen und das Konzept von Sexyness stehen damit ebenso auf dem Prüfstand und zur Disposition wie auch Körperbezüge und zum Beispiel romantisierende oder verspielte Einschläge (Muster bei Dennis Sanders) oder klassische Schnittzuordnungen (zum Beispiel Xinyi He).

Bei den Schnittführungen wird vieles durchgespielt und getestet, was die üblichen Konstellationen zu verlassen sucht. Auch das ist nicht unbedingt ein neues Anliegen, aber der oft puristische Ansatz dabei sorgt dann doch für ungewohnte Wahrnehmungseffekte. Die Versuche, die Gewohnheiten, Proportionen und Formales neu zu denken und auszuprobieren sind mutig, denn sie erfordern gleichzeitig, eine alternative Ästhetik überzeugend herauszuarbeiten.

Nicht mehr im Mittelpunkt stehen die lange durchgespielten architektonischen Schichtungen, die Dekonstruktionen und Kombinationen um der Irritation willen. Auch Applikationen und stilerweiternde Accesoires spielen kaum noch eine Rolle, stattdessen kommt die Reduktion auf die Leitidee oft zu ganz puristischem Ausdruck. Bei Vanessa Schreiner tritt, neben der eher unauffälligen Materialerprobung, der Versuch in den Vordergrund, die ungewöhnlichen Kombinationen der Teile oder Materialien nicht mehr zu Irritationen zu führen sondern, im Gegenteil, die Verschiedenheiten zu harmonisieren oder den neuen Materialien durch geschickte Formgebung eine eigene Schönheit abzugewinnen.

So scheint es, unterm Strich, dass die aktuelle Richtung der jungen Modedesigner und -designerinnen weniger von dem Willen geprägt ist, Tabubrüche spektakulär zu präsentieren sondern von dem Interesse, ästhetische Formulierungen dafür zu suchen. Ob das nun einer Konstellation der vorauswählenden Jury zu verdanken ist oder tatsächlich als ideelle Strömung zu verstehen ist, weiß man natürlich nicht. Aber erfahrungsgemäß repräsentiert Hyères durchaus den aktuellen Stand der Dinge (und die professionellen Jurys auch).

 

NOAH ALMONTE – Replicants (Prix Supima)
Collection femme
Schweiz

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LAYLA AL TAWAYA – Perfected Perfecto
Collection homme
Polen – Palestina

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LUCAS EMILIO BRUNNER – À Bout de Souffle (Grand Prix du Jury Mode)
Collection unisexe
Schweiz – Chile

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IDALIINA FRIMAN – Lotta
Collection femme
Finnland

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XINYI HE – I Can Fly
Collection femme
China

 

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SOFIA HERMENS FERNANDEZ – Semiotics of Girlhood
Collection femme
Deutschland – Spanien

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ADRIEN MICHEL – Outdoors Encounters (Prix le19M des Métiers d’art)
Collection homme
Frankreich

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DENNIS SANDERS – The Standard Man
Collection homme
Deutschland

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VANESSA SCHREINER – used to be
Collection femme
Österreich

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YOUSSEF ZOGHEIB – Gravesend (Prix du public de la ville d’Hyères)
Collection homme
Libanon

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