Hyères 2025 – ein kleines Jubiläum

Hyères 2025 – ein kleines Jubiläum

40. Festival de Mode, de Photographie et d‘Accessoires de Mode, Hyères, Oktober 2025

Text und Bilder: Gerhard Paproth

 

Hier sieht man die jüngsten Trends, die aktuellen Bewegungen in  der internationalen Mode und die interessantesten Neuerkundungen in Material und Schneiderhandwerk. Und, in der Erweiterung, kreative Erfindungen zu Modeaccessoires sowie Positionen der jungen Fotografie. Zum 40. Male wurde das Festival de la Mode in der Villa Noailles nun ausgerichtet und, wie man diesjährigen Medienberichten schon im Vorfeld entnehmen konnte, infolge von Finanzierungsproblemen in recht kontrollierter Ausgabe. Alle, sowohl die Organisatoren als auch das schon bei der Eröffnung begeisterte Publikum wollen diese Veranstaltung erhalten, denn sie hat sich, unter der Leitung von Jean-Pierre Blanc, zu einem unverzichtbaren Event der Modewelt etabliert: sie liefert nicht nur die neuen Trends und Ideen, sondern der Industrie den besten Nachwuchs. Entsprechend vielfältig ist das Publikum von Studenten, Professoren, Modemanagern und jungen Designern, Presse und Neugierigen von fern und aus der Umgebung. Hier treffen und bilden sich wichtige Netzwerke der Branche und spätestens hier wird gegenwärtige Modephilosophie festgeschrieben. Die Qualität, die Strahlkraft und die Langlebigkeit dieses Festivals sind sein wesentlicher Erfolg im professionellen Sinne, weswegen auch viele und besonders renommierte Sponsoren sich gerne beteiligen (institutionelle Partner und das Kulturministerium sowie privaten Sponsoren, darunter Chanel, Le 19M, LVMH, Hermès, Supima, Kering, American Vintage und Première Vision).

Eine große Jubiläumsfeier blieb aus, denn das Festival war Anfang des Jahres formal schwer unter Beschuß geraten: eine Rüge des französischen Kulturministeriums im April kritisierte das bisherige Management scharf und medienwirksam, denn nicht nur die Alleinherrschaft des Festivalgründers Jean-Pierre Blanc wurde den Mitstreitern zunehmend unerträglich sondern auch der Umgang mit den Geldern häufte hohe Schulden auf (Schuldenstand von 3,8 Millionen Euro). Die diesjährige Ausgabe fand demzufolge in einem verkürzten Format statt und soll als Übergang zu einer möglichen Neuausrichtung verstanden werden. Verantwortlich für diese Neuausrichtung ist nun Hugo Lucchino, der im August zum Generaldirektor des Kunstzentrums Villa Noailles ernannt wurde.

Auffällig dafür ist die „Verkürzung des Formats“, die in jeder Hinsicht spürbar wurde. Allgemein gesehen fehlt das großzügige, liebevolle und leichte Flair im Ganzen; im Konkreten wird der Zeitraum von vier auf drei Tage verkürzt, es gibt nur noch eine große Modenschauveranstaltung und die Räumlichkeiten wurden verdichtet. Keine Extrabühnen und Podiumsveranstaltungen mehr, keine künstlerischen Installationen, Darbietungen und Sonderausstellungen mehr, Eintrittsgelder werden nun erhoben und diverse Partys am Rande wurden gestrichen, sogar die berühmte Aftershowparty für die Wettbewerber und Preisträger. Das große Verwöhnprogramm für Jurymitglieder und VIPs wurde auch zurück gefahren und sehr schnell fiel sogar der wichtige Shuttleservice aus, zwar nicht für die VIPs (da Mercedes-gesponsert) aber für alle anderen Besucher (die Villa Noailles, Festivalort, liegt hoch auf dem Berg und ist nur mit PKW, Taxi oder fast einstündigem Fußmarsch zu erreichen). Schon damit spürte man die Einschränkung sehr unangenehm.

Aber auch wenn man als Besucher einsichtig ist und auf viele Annehmlichkeiten zu verzichten bereit ist, bleiben doch auch Beschränkungen, die man als schädlich wahrnehmen kann. Wir empfanden besonders die räumliche Verknappung als kontraproduktiv, was umso unverständlicher war, als die großzügige Villa ja in städtischem Besitz ist und keine parallelen Veranstaltungen dort stattfanden. Diese räumliche Verdichtung führte nicht zu sachlicher Focussierung sondern zu einem unangemessenem Mix der Aspekte sogar zwischen den drei Festivalabteilungen. Die wurden jetzt sogar noch um einen irritierend großzügig angelegten Fotobuchbereich erweitert.
Darüber hinaus wurde die Dokumentation mit Film und Bild schwierig, umso mehr als sich das Publikum oft drängen mußte. Gleichwohl war da – zumindestens gefühlt – weniger Publikum insgesamt als sonst.

Aber, auch das muss man konstatieren, vieles Gute ist geblieben und machte den Besuch lohnenswert. Allem voran natürlich das Wetter, ein Oktober wie sonniger Hochsommer, eine wunderschöne Stadt, grün, blühend und mit Palmen überall, das Mittelmeer im Blick und die schöne Villa Noailles selbst (wir berichteten das mehrfach). Der spezielle Shop mit seinen exzentrischen Angeboten. Auch der Kern der Veranstaltung blieb weitgehend unangetastet, nämlich die Künstler- bzw. Designerwettbewerbe, hier gab es keine Abstriche und die Qualität schien dieses Jahr sogar noch besser als letztes Jahr, das mag aber eine subjektive Einschätzung sein und ist dann wohl auch zufällig. Die Jurys, muss man dazu sagen, sind jetzt rein von Modeprofis besetzt, über weitere Veränderungen im Verfahren oder programmatischen Verständnis wissen wir aber nichts. Aus dieser Perspektive ist, soweit man das jetzt einschätzen kann, die bisherige Leitidee des Festivals auch der substantielle Teil der Neuausrichtung und damit bliebe der attraktive Kern (und Sinn) der Veranstaltung erhalten. Ob allerdings in der Verkürzung und vor allem der Verknappung auch die große Strahlkraft erhalten bleibt, hängt auch von der Publikumstreue ab, das mit einem weniger leichten, stark versachlichterem Format leben muss.

 

Impressionen:

eine der früher genutzten Freiflächen:

Bühne mit Projektionswand:

und früher mit Liegestühlen genutzte Relaxfläche:

Wandgestaltungen innen:

Fotoausstellung:

im Shop:

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