37. Festival de Mode, de Photographie et d‘Accessoires de Mode, Hyères, Oktober 2022
Bilder und Text: Gerhard Paproth *
Wie stets ist dieses Festival ganz junger Mode für uns das eigentliche Highlight des Jahres, in Deutschland Herbst, dort, in der Stadt der Palmen an der Côte d’Azur, noch warmer Sommer mit sattem Grün und gelassener Lebensart. Man sieht noch Orangen an den Bäumen, blühende Blumen entlang der Straßen, stets geschmackvoll gekleidete Menschen und, natürlich, erfrischend gute Laune auf dem Festival, das sich äußerst ambitioniert dem Designernachuchs widmet. Dem Vernehmen nach ist etwas Bewegung in das große Sponsoring gekommen, Kürzungen, Ausstiege, Neueinstiege, die den Umfang hie und da unwesentlich schmaler machen, aber auch neue Programmteile öffnen. Die 37. Ausgabe ist mit ihren vielen Ausstellungen nach wie vor hoch professionell, geschmackvoll und perfekt ausgerichtet und mit Foto- und Performance-Veranstaltungen unterhaltsam ergänzt. Die Organisation des umfangreichen Schauenprogramms an zwei Abenden ist perfekt und das Ambiente auch dort liebevoll hergerichtet. Während die Ausstellungen in der Villa Noailles über der Stadt quasi offen für jeden sind, sind die Schauenplätze begehrt, bei Modeinsidern und breitem Publikum gleichermaßen.
Hier reisen viel Kunststudenten an, Lehrer und Professoren, wichtige Repräsentanten der Modehäuser und die Modepresse und allen sieht man die modischen Ambitionen an, von dezent bis exaltiert.
Die vielversprechendsten Talente unter sehr vielen Bewerbern herauszufiltern ist die Leitidee der Veranstaltung, und schon wer nur unter den 10 Anwärtern der jeweiligen Vorauswahl eingeladen ist, findet nach dem Festival offene Türen im großen Business, wichtige Kontakte vor Ort und Erwähnung in der Presse, besonders der Fachpresse. Für Preisträger öffnen sich dann große Tore. Im Bereich Mode ausgeschrieben sind dieses Jahr le GRAND PRIX DU JURY PREMIÈRE VISION, le prix LE 19M DES MÈTIERS D’ART, le PRIX DE LA COLLECTION ECO-RESPONSABLE MERCEDES BENZ und le PRIX L’ATELIER DES MATIÈRES und für Accessoires le GRAND PRIX DU JURY ACCESSOIRES und le PRIX HERMÈS DES ACCESSOIRES DE MODE.
Das ist nicht wenig und zumeist gut dotiert. Hinzu kommen diverse Stiftungen zum Beispiel betreffend Ausrichtungen von relevanten Modeschauen, Materialien, Profifotos und Mitarbeitsstipendien. Wichtig ist stets, den Eintritt in die professionelle Modewelt zu ebnen, und das ist eine Win-Win-Konstellation für die Unternehmen und die Nachwuchsdesigner. Das Verfahren (mit renommiert besetzten Jurys) ist international offen, klar und attraktiv, genau das, was hierzulande noch immer große Schwierigkeiten bereitet – soweit eine stimmige Nachwuchsförderung überhaupt etabliert wird. Und nicht zuletzt deswegen sind große Häuser an der Festivalfinanzierung beteiligt, treu und ganz oben Chanel.
Die Lage ist, wir schrieben es früher schon, genial: die bauhaustypische, große Villa liegt auf einem der Hügel hinter der Stadt und blickt über die Stadt und Küste aufs Mittelmeer. Um die Villa herum sind ausgedehnte und gepflegte Parkanlagen, halb natürlich und halb gartenähnlich, üppig und sehr mediterran. Alle Dachflächen des verschachtelten, kubischen Baus sind unterschiedlich begrünt, man kann dort relaxen, schauen, plaudern und lesen, manchmal gibt es dort auch kleine Freilandausstellungen und es werden Performances aufgeführt oder kleine musikalische Darbietungen. Frühstücksempfänge, Podiumsdiskussionen und Workshops gehören zum Festivalprogramm und zum sachbezogenen Zeitvertreib. Auf einer großen Dachrasenfläche stehen Liegestühle und daneben ist eine offene kleine Kaffeebar, auch dort kann man sitzen und plaudern und Mode in realo schauen, gelegentlich kommen VIPs vorbei, aber das beachtet kaum jemand besonders.
Außerdem gibt es einen Shop, der ausschließlich exclusive Artikel junger und ungewöhnlicher Designer anbietet, Sachen, die man sonst quasi nirgends findet und oft von hier vorgestellten Nachwuchsdesignern stammen – Kleidung, Objekte, Bücher, Accessoires.
Das Prinzip „Schauen“ als zentrales Wahrnehmungsprinzip der Lebensfreude steht im Mittelpunkt des dafür konzipierten Ortes, nunmehr seit etwa 100 Jahren, und auch seiner Veranstaltungen. Er war schon immer beliebter Treffpunkt für Künstler, die auch viele Wandmalereien und Skulpturen hinterlassen haben (Cocteau, Picasso u.v.m.). Das berühmte Festival de la Mode ist nunmehr im 37. Jahr und markiert noch immer den wichtigen Focus auf junge, innovative Kultur, die schon dem Gründerehepaar Charles und Marie-Laure de Noailles das Wichtigste im Leben war.
* Titelbild ist das offizielle Poster des Festivals