Berlin Fashion Week SS2024 – PLATTE, Memhardstrasse
Text, Interview und Bilder: Gerhard Paproth
Wie schon seit Langem organisiert die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin eine kollektive Modenschau mit Abschlussarbeiten ihrer Viert-Semester im Fachbereich Mode Design. Mit circa 70 Looks von verschiedenen Designern ist die aufmerksame Beobachtung schon eine kleine Herausforderung, für die betreuende Organisatorin Prof. Anke Schlöder aber auch.
MODACYCLE: Eine Schau von Studentenabschlussarbeiten hat ja nicht nur etwas mit der Beglückung der Absolventen im realen Auftritt zu tun, sondern in erster Linie ist das als Nachwuchsförderung gedacht. Richtig?
PROF. ANKE SCHLÖDER: Richtig. Aber das ist nicht der Hauptantrieb. Das Erlernen der verschiedensten Abläufe einer Modenschau gehört zu meinem Unterricht „Modepräsentation“. Ich bringe hier über 30 Jahre Erfahrungswerte mit ein. Dieses Modul beinhaltet ausserdem, das die Studierenden mit dem dort erlernten Wissen unter meiner Leitung eigenständig eine Show organisieren und durchführen – ohne dass ihnen ein Budget dafür zur Verfügung steht. Was ja in den meisten Fällen auch im realen Modebusiness so ist.
Dieser Unterricht „Modepräsentation“ findet im 4. Semester statt. Daher werden in diesen Schauen immer die finalen Arbeiten des 4.Semesters gezeigt. Das Bachelor Studium an der HTW endet aber nach dem 7. Semester. Wir zeigen also praktisch eine Art „ Zwischenstand“.
M: Die Schau soll vermutlich auch zeigen, was ein Studium der Bekleidungstechnik/Konfektion an sachdienlicher Befähigung leistet, Schnitte, Nähen, Textilwahl usw. Welche Rolle spielt bei der Beurteilung der Prüfungsarbeit die kreative Idee?
A. S.: Ich bin Professorin am Studiengang Modedesign; nicht Bekleidungstechnik. Die Arbeiten, die Sie in der Show gesehen haben, stammen überwiegend aus meinem Unterricht „Creative Identity“. Hier liegt der Schwerpunkt ausschliesslich auf Kreativiät, Innovation und Einzigartigkeit des jeweiligen Studierenden. Das ist der Kern meines Unterrichts. Und das soll sich auch in den dort gezeigten Arbeiten wiederspiegeln.
M: Im Verlaufe der Schau sieht man nicht, wer der Schöpfer beziehungsweise die Schöpferin des jeweiligen Kleidungsstückes ist. Man weiß nicht einmal, ob die Paar-Auftritte von verschiedenen Gestaltern sind. Ist es nur eine Gesamtleistungsschau, wo Namen keine Rolle spielen oder ein organisatorisches Problem?
A.S.: Natürlich spielen Namen eine Rolle, aber da es ein No-Budget Projekt ist, fehlen uns hier die Mittel. Wir lösen das Problem, indem wir später alle Fotos auf Social Media mit den zugehörigen Accounts der Designer veröffentlichen. Das ist nachhaltig jederzeit einsehbar.
M: die.PLATTE ist eine Plattform für avantgardistischen und gesellschaftspolitischen Zeitgeist in der Mode, spielt das für Ihre Schauenorganisation eine bestimmte Rolle, zum Beispiel im Vergleich zur Teilnahme bei Neo.Fashion?
A.S.: Auf jeden Fall! Abgesehen davon, dass wir hier vollkommen freibestimmt eine Show zu 100% nach unserem Gusto und Vorstellungen gestalten können. Vor allem auch auf den Hinblick von Diversity bei Models und bei unseren Gästen. Neo.Fashion ist in erster Linie ein Geschäftsmodell, was sich rechnen muss. Da spielt die Kreativität – sei es bei den gezeigten Kollektionen oder auch bei den Showkonzepten – erstmal eine untergeordnete Rolle. Jeder der bezahlt, darf seine Kollektionen zeigen. Aber es kann auch nur jeder zuschauen, der zahlt.
M: Abgesehen von den modeideologischen Forderungen bei PLATTE sprechen Sie im Studium doch sicher auch über gesellschaftspolitische Ziele des Modemachens, jenseits von Technik und Kreativität. Wie relevant wird das, wenn die Studenten dann in einen Beruf übergehen?
A.S.: Ich denke eine sehr grosse Rolle. Genauso wie das Thema Nachhaltigkeit. Uns ist es sehr wichtig, dass die Studierenden sich schon sehr früh im Studium damit auseinandersetzen. Daher haben wir in unserem Curriculum verschiedene, theoretische Module verankert, die von erfahrenen Lehrenden unterrichtet werden.
M: Das deutsche Fashioncouncil hat sich Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben, sind die Programme da Ihrer Meinung nach optimal? (Wir sind jedes Jahr in Hyères und finden, dass deren Verfahren super ausgedacht sind und auch super funktionieren. Kreativ, anspruchsvoll und vorwiegend industriefinanziert.)
A.S.: Ich kenne auch den Hyéres Wettbewerb und finde ihn herausragend, was die Nachwuchsförderung angeht. Aber ich denke, die Voraussetzungen in Frankreich sind etwas anderes. Dort ist die kreative Mode ein Kulturgut und wird dementsprechend ernst genommen und unterstützt von vielen bedeutenden und traditionellen Modefirmen wie Chanel etc.
Das ist hier leider nicht der Fall und es gibt daher noch viel zu tun. Doch in den letzten zwei Jahren hat sich in Berlin einiges getan, dank des Fashion Councils. Meiner Meinung nach sollte das Council aber enger mit den Universitäten zusammen arbeiten, um hier einen direkten Einblick in die Arbeiten und auch einen direkten Zugang zu den begabtesten und leistungsfähigsten Absolventen zu bekommen. Denn direkt hier muss die Unterstützung ansetzen. Viele halten sonst aus finanziellen Gründen nicht lange genug durch, bis dass sie für das Fashion Council sichtbar werden.
M: Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach der Breiteneffekt einer solchen Schau? Medien, Publikum, Profipublikum?
A.S.: Sehr hoch. Ich mache die 4.Semestershow seit 13 Jahren und durch die immer grösser werdende Bedeutung der sozialen Medien wie Instagram und Tiktok in den letzten Jahren bekam dieses Projekt auch eine immer grössere Aufmerksamkeit. Allein unser „Werbe-Reel“ als Ankündigung zur Show wurde über 12.000 mal angeklickt. Es gab über 600 Besucher und wir mussten einige draussen lassen. Die Presse (z.b auch Sie) wurde auch mehr auf uns aufmerksam und das bedeutet für die HTW eine bessere Aussenwirkung, auch im Hinblick auf neue Bewerber.
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