Berlin Fashion Week AW2025 – Meinekestrasse
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Boris Marberg
Die Schau von Horror Vacui verortet sich mit einer gewissen Intimität in großbürgerlichem Berliner Altbauambiente und ist mit individuellen Stoffdekorationen und verschiedenen poetischen, mit Hand geschriebenen Aphorismen auf den rund siebzig Sitzen schon stil- und liebevoll vorbereitet. Das Label von Anna Heinrichs aus München ist schon seit geraumer Zeit auf der Berliner Fashionweek präsent, stets im Berliner Salon, und stellt selbstbewußt mit seinem stilistischen Lokalcolorit eine sehr eigene Note an die Seite der vorwiegend Berliner Designer. Es ist schon von daher eine echte Bereicherung der Palette, denn Horror Vacui zielt auf einen romantischen, sehr humanen Touch – „Wo das Herz träumt und die Augen hören “ (Anna Heinrichs), der sonst leicht zu kurz kommt, aber doch eine durchaus große Anhängerschaft findet.
Wie an große Wandteppiche erinnernd sind die edlen Stoffe mit aufwändigen und kleinteiligen Mustern bedruckt, oft floral, und die Kunst des Patchworkartigen, der meist symmetrischen Addition edler Einzelelemente zu einem eleganten, sinnlichen Gefüge prägt sehr viele der gezeigten Outfits. Wichtige und prägende Elemente sind dabei Versatzstücke und Verarbeitungstechniken aus der folkloristischen, bayrischen Dirndl-Tradition wie „Froschgoscherl“ und Wellenkanten, letztere prägen sehr stark diese ganze Kollektion. Dabei fließen jedoch stets auch gegenwärtige Modeströmungen ein, zum Beispiel die applizierten Sternchen und die vielen verspielten Bänder, die mit ihren feinen Bedruckungen eine ganz eigene Charakteristik bekommen, sowie auch die Verbindungen klassischer Schnitte mit sehr modernen Einflüssen. Manchmal erinnert der Gestaltungsansatz an Countrystyle, der ja einmal einrichtungsmäßig sehr en Vogue war, manchmal schimmert scheinbar etwas Hippie-Ästhetik durch, aber insgesamt ist die Verfeinerung so prägnant, das Erscheinungsbild so elegant, dass solche Stereotypen auch gleich wieder verschwinden. Laut eigener Aussage ist das Gestalten der Designerin geprägt von Renaissance-Ästhetik, also eine harmonisch geordnete Veredlung des Einfachen, und das bemerkt man ganz besonders bei den wenig kontrastierenden Zusammenstellungen und sinnlichen Arrangements.
Einfallsreich ist die Kollektion außerdem mit den vielen Silhouetten, verschiedenenen Prints, konzeptuellen Arrangements und gelegentlich überraschenden Kontrasten einzelner Bestandteile. Das Design feiert Geschlossenes gleichermaßen wie mutige Sexyness. Dominant bleibt allerdings die folklorehafte Grundlage im Stil, die damit stets neue Facetten gewinnt, sowie der grundromantische Ansatz dabei, der auch einen bestimmten, sehr weiblichen Lifestyle kennzeichnet. Die veredelnde Zurschaustellung der Liebe zum Handwerk in den Details und in den Zusätzen gehört sicher auch mit dazu, genauso wie die Feinheit der Muster und der taktilen Oberflächen. Und das Sanfte setzt sich von den Wellenlinien und den gerundeten Kanten fort bis zu den sehr weichen Stoffschuhen, neu gedachte Mokkasins quasi, die eher einen heimischen Komfort suggerieren als urbane Trittstärke. Auch wenn das Ganze dann niemals aussieht wie häuslich.