Berlin Fashion Week AW2024 – nhow Berlin
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Boris Marberg für BFW *
Am Schluß seiner Schau präsentiert sich der Designer von GLÜCK, Egor Bashtovenko, im Schlafanzug zu Vogelgezwitscher und unterstreicht damit ganz witzig den Traumcharakter seiner inszenierten Kollektion, die den Untertitel Glück’s Couture Journey hat. Mit dieser Leitidee ist es naheliegend, an klassisches Kostümbild zu denken. Und das wird dann auch so vorgeführt – zumindestens im äußeren, inszenierten Effekt. Es gibt eine kleine Bühneninstallation im Background, aus der sich der Märchenbaum dann lebendig als Kostümfigur löst und die auch den Hintergrundprospekt für die Schau ausmachen soll. Die vorführenden Modelle bewegen sich anmutig, tänzerisch und geisterhaft über den Laufsteg. In diesem Sinne wird der erwachsene Zuschauer wieder in die Märchenwelt seiner Kindheit geführt, da erscheinen Waldgeister, Elfen, Feen und andere Fantasiegestalten aus Träumen und Geschichten und der Zauber surrealer Fantasien manifestiert sich in ihrer Garderobe.
Die Materialien der Outfits werden wesentlich aus Pilzen gewonnen, und das ist nicht nur ein ökologisch bewußter Ansatz sondern quasi schon die Brücke zu den halluzinierten Gestaltungen. Aber ganz so extrem kommen die nicht immer daher, manches oder Teile davon sind auch diesseitig tragbar. Insgesamt kommt diese Kollektion zum Beispiel auch einer Kundenklientel entgegen, deren versponnenen Leidenschaften wir schon bei den Platte-Labels begegnet sind: sehnsüchtiges Festhalten am Kindlichen und an abdrehenden Tagträumen im Übergang von Jugend zu Erwachsen. Entscheidend ist es, dazu stehen zu wollen.
Aber Egor Bashtovenko bleibt keineswegs dabei stehen. Er generiert daraus eine große Anmut, verbunden mit feiner Detail- und Oberflächenverliebtheit und nicht selten auch eine Hommage an Eleganz, die unverkennbar der Modegeschichte und der Haute Couture entlehnt ist und auch für einen luxuriösen Schliff sorgt. Damit treten die versponnenen Ideen des Designers überzeugend in eine erwachsene, anspruchsvolle Realität hinein, und zwar auf eine sehr positive, modephilosophische Position. Dies betrifft auch seinen experimentellen Umgang mit Materialbeschaffenheiten, starr und soft, matt und glänzend, fest und durchlässig sowie auch die hinzugefügten Konstruktionen: Bei dem Hochzeitskleid am Ende, zum Beispiel, ist eine sehr anschauliche Symbiose der ästhetischen Ausgangspunkte gelungen – der Transfer vom Vesponnenen ins reale Lebensglück hat eine reizvolle und geheimisumwitterte Formulierung gefunden.
Jenseits der Wahrnehmungen von Fantasy und Sehnsüchten verbleibt, wie erwähnt, deutlich der Anspruch einer besonderen Eleganz. Diese gegenwärtig zum Kriterium zu machen, ist mutig. Es legt nämlich gewisse (und oft unerfüllte) Bedürfnisse, die wir gegenüber der Modewelt hegen, offen und bietet neue Ansätze zum Vergnügen an gutem Geschmack an. Dass dies auf diese Weise gelungen ist, kann man wohl als kleinen Fortschritt oder sogar Gewinn verbuchen.
Das recht große Publikum schien das jedenfalls sehr zu goutieren.
* Foto Bühnenbild von Gerhard Paproth