MBFW AW2018, Berlin, E-Werk
Text: Gerhard Paproth
Fotos: Andreas Hofrichter
Bemerkenswerte Überraschungen erwartet man eigentlich nicht, wenn man zu einer Schau von Ewa Herzog geht, vielmehr gehört ein Ewa-Herzog-Défilé zu den Veranstaltungen, zu denen man immer wieder gerne hingeht, weil sie einfach schön sind. Ewa Herzog liebt Spitze und Transparenz, körperliches Selbstbewusstsein, den Touch von Finesse und klassische(s) Gestalten.
Die Leitidee, dem Femininen in einer zunehmend rauer und lauter werdenden Umwelt ein überzeugtes Konzept von Feinheit und spielerischem, weiblichem Eros entgegenzusetzen, ohne Anpassung an schräge und unisexuelle Erscheinungen der Gegenwart, führt zu Ergebnissen, die stets um diese Vorstellung der schönen Frau kreisen. Und auch um ihre Träume. Lust auf Innovation gehört eher nicht dazu, aber der Mut, dies auch mit zunehmend offenherzigen Bekleidungskonstellationen zu demonstrieren, begründet sich schon im toleranten Zeitgeist. Die Haltung ist gerichtet auf feinsinnige Wahrnehmung, die sich am Besonderen und Raffinierten zu erfreuen weiß und eigentlich nur in unserer großzügig-toleranten, europäischen Wirklichkeit so offen möglich ist.
Ewa Herzog liebt dabei die Arbeit an diversen Details, Spitze, an transparente Faltungen und Glättungen, sie testet das interaktive und subtile Spiel zwischen Kleidung und Körper, Haut und darüber arrangierter Stofflichkeit, die gelegentlich eben nur annähernd verschwindet.
Ihre Schnitte bleiben dabei stets schlicht und unspektakulär, selbst die spielerischen Raffungen der Ärmel, die an vielen Stücken zu sehen sind, fallen zwar etwas auf und bewegen die Umrisslinie, fügen sich aber doch in eher klassische Schnittkonstellationen. Auch andere, recht klassische Herangehensweisen finden sich überall, damit ist das Abenteuerliche des Blickes etwas gemäßigt. Aber mit dem Mut zum selbstbewussten, sexy-erotischen Auftritt, den Herzog von Mal zu Mal entschiedener formuliert, gibt sie dem Konservativen einen sinnlichen Zauber auf den Weg, der mit wundervoll-träumerischen Abendkleidern ergänzt wird.
Gerade in der Überhitzung der Markttrends und ästhetischer Primitivismen ist Ewa Herzogs Mode eine zeitgemäße und geradezu entschiedene Alternative der Be-Sinnlichkeit, eine Position, die wir dringend brauchen, um den schnellen, billigen Designs zu entrinnen und eine kultivierte Zukunft ins Auge zu fassen.
Eines allerdings darf man nicht überschätzen: In der Realität des Alltags ist die Konsumentin erfahrungsgemäß dann doch eher ängstlich mit diesem erotisch-subtilen Spiel. Sie fährt es herunter mit grober Unterwäsche oder Futterstoffen auf einen oberflächlichen Code, der die Raffinesse zur spießigen Plattitüde umgestaltet. Im Zusammenspiel mit der konservativen Gesamtgestalt wirkt das dann eher konterkarierend banal als raffiniert – und man(n) wünscht sich stattdessen, die Frau würde die Stärke des Konzeptes behaupten können, wenn sie sich schon dafür entschieden hat. Denn starke und zugleich sinnliche Frauen sind unsere Zukunft (wenn wir mal die aktuellen, moralreaktionären Meldungen außer acht lassen), so glauben wir, und die schönen Träume wollen wir nicht aufgegeben wissen.
Ewa Herzog hält ein feines Fähnchen kultivierter Sinnlichkeit über das laute Trendgeschrei, welches sicher auch mal wieder abebben wird.
