Berlin-FW-ss2019 E-Werk
Text: Boris Marberg
Bilder: Andreas Hofrichter
Berlin bezeichnet sich seit einiger Zeit gerne als das aufstrebende Zentrum der ökologischen und nachhaltigen Mode, mit attraktiven, konzentrierten Messen, Show-Rooms, ansässigen Marken und kleinen Manufakturen. Im Rahmen der Fashion-Week spielen diese Messen immer eine Rolle, auch wenn die Verbindung zu den zentralen Schauen nicht wirklich eng ist. Diese Saison wurde die Verbindung sichtbarer geknüpft und in einer eigenen Schau im Plan der Mercedes Benz Fashion Week (MBFW) eingebettet. Konzeptionell ist dies nicht das erste Mal, dass diese Verbindung in dieser Weise initiiert wurde, aber bisweilen die konsequenteste. Beibehalten wurde, dass nicht ein einzelnes Label präsentiert wurde, sondern ein wilder, teilweise auch stark kontrastierter Querschnitt an Marken, welche in jener Woche in Berlin ihre neuen Kreationen den Einkäufern und den Interessierten nahebringen wollten.
Immer wieder wirft die Auseinandersetzung mit „ökologischer“ Mode Grundfragen auf, die es wert sind auch immer wieder diskutiert zu werden und im Vergleich zu Vorjahren neue Aspekte und Strömungen erkennen lassen. Oft wird „ökologischer“ Mode vorgeworfen, sie sei nicht repräsentativ genug, nicht schick, wandle immer noch – oder immer wieder – in Klischees der offensichtlichen Erkennbarkeit als „Öko“. Grundsätzlich ist immer noch festzuhalten, dass es weder für ökologisch produzierte Bekleidung keinen anerkannten Standard gibt, der landläufig bekannt wäre und etabliert ist. Abgesehen von GOTS sind die Ansätze für Zertifizierungen weiterhin noch sehr fragmentiert. Aber auch bei dem weiteren Begriff der „nachhaltigen“ Mode sind Zertifizierungen noch nicht weit verbreitet und vielen Konsumenten ist auch nicht immer klar, was der Unterscheid zwischen ökologisch, nachhaltig, oder fair produziert bedeutet. Das macht es weder den Kunden leicht, noch Marken, die ihre Ansätze breiter kommunizieren wollen. Geradezu im Kontrast dazu stehen eigene Initiativen von Konzernen und internationalen Volumenhändlern, die sich gerne als vorbildlich in Szene setzen. Der oft erhobene Vorwurf des „Greenwashings“ liegt da nahe, wenn zum Beispiel „Bio-Baumwolle“ verarbeitet werde, aber Recherchen ergeben, dass in just der Konzern in Fabriken teilweise nicht existenzsichernde Löhne seit Monaten ausstehend waren, bis die Fabrik insolvent war und immer noch die Arbeiterinnen auf ihr Geld warten mussten. Wieder andere Konzerne mussten sich dem Vorwurf aussetzen, containerweise neue Ware vernichtet zu haben. Sicherlich spiegeln diese Fälle und Beispiele, die leider in der Industrie eine gewisse Routine darstellen, dass Bekleidung von vielen Kundinnen und Kunden als kurzfristiger „Verbrauchsgegenstand“ wahrgenommen wird. Dies wirft leider immer noch die ungeklärte Frage auf, was ist Mode, welche Funktion hat diese und wo ist die klare Abgrenzung zur Bekleidung. Wenn man davon ausgeht, Mode dient unter anderem auch einer repräsentative Funktion in dem Sinne, dass die Person, die sich bewusst für eine Produkt entschieden hat, damit unter Umständen auch etwas ausdrücken will, und nicht lediglich die Produktfunktion nutzen möchte, dann hat Modedesign mehr zu bieten als die „Massenware“, dient also einem weiteren Zweck. Zwingend schön muss das nicht sein, Design ist ja auch nicht zwingend Kunst, steht jener aber nahe. Damit ist aber auch klar, dass neben dem ideologischen Statement von ökologischer, oder nachhaltiger Mode auch immer der darstellende Charakter innewohnen sollte, eigentlich zwingend muss. Kurz und knapp: Öko darf auch mal ästhetisch sein und sollte sich von den Klischees endlich lösen.
In Berlin ist das teilweise immer wieder sichtbar, einen richtigen Trend kann man leider noch nicht sehen (mal abgesehen, dass die Akzeptanz, das Interesse und der Marktanteil kontinuierlich wächst). Aktivistische Beiwerke, wie zum Beispiel die „Fashion Revolution (Day/Week)“ werden dem Thema nur bedingt mit ihren Aktionen gerecht und vor allem in der Breite, trotz Berichterstattung in „Leitmedien“ wie dem Deutschlandfunk, nicht wirklich von der Masse der Bevölkerung wahrgenommen. Zum einen braucht es für die Durchbrechung des Massenkonsums wesentlich mehr, zum anderen würde dies auch wieder die Frage der Demokratisierung der Mode aufwerfen. Ein leidiges Thema, das an inneren Konflikten völlig durchfressen ist, denn die Frage, ob das Individuum ein integraler Bestandteil der Masse sein kann ist in diesem Zusammenhang nicht aufklärbar. In Bezug auf Modedesign bleibt da immer noch nur die Uniform als ultima ratio – wenn man unterschlägt, dass der klassische Anzug in der Herrenmode schon seit fast 200 Jahren dies manifestiert und Herrenmode ganz anderen ästhetischen Kriterien unterliegt und sich ideologisch kaum zu befreien vermag.
Was wünscht man sich also von nachhaltiger, ökologischer Mode für die Zukunft und was ist jetzt schon sichtbar? Als Idealist wünscht man sich natürlich eine breitere Akzeptanz und ein aufgeschlossenes Bewusstsein für Fairness, also dass Mode nachhaltiger wird, existenzsichernde Löhne in der Produktion bezahlt werden und umweltschonend produziert wird – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen – aber das klappt nicht, jedenfalls nicht in der Breite der Gesellschaft und schon gar nicht beim jungen Publikum, denn dieses unterliegt gruppendynamischen Individualisierungsprozessen und ökonomischen Rahmenbedingungen, die maßgeblich durch die Konsumgeschwindigkeit beeinflusst werden – schade, leider – und wirft auf, sich in der näheren Zukunft wieder mit dem Thema zu befassen.