Designercasting für Showfloor
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Marcello Rubini
In einem sind wir uns in der Redaktion einig: Eco-Design im weitesten Sinne ist zweifellos förderungswürdig. Inwieweit das auch für Mode gelten soll, wo Grobstrick und Filz dem Klischee unerotischer Ausstrahlung folgt, können die Vorstellungen schon mal konvergieren – da sind die Grenzen der Leidenschaft unterschiedlich ausgeprägt. Noch nicht diskutiert haben wir allerdings über das Comeback der klassischen langen Männerunterhose, die jetzt aber für beide Geschlechter ohne was drüber ihren schaurigen Auftritt bei diversen Jungdesignern feiert. Aber das geschmackliche Erscheinungsbild der deutschen Hosenmode, insbesondere für Männer, hat sich in den letzten 20 Jahren ja ohnehin nicht rühmlich entwickelt.
In der alten Post in Neukölln veranstaltete der Showfloor für die nächste Fashionweek (ss2014) sein zweites Designercasting, bei dem 10 Designer ihre Kollektion zur Diskussion stellten. Einen besonderen Fokus bei der Vorauswahl aus den Bewerbungen legte die anwesende Jury auf Avantgarde und Innovation. Wirklich sexy war eigentlich keine davon.
ANSOHO (Anna Sophie Howoldt) aus Lübeck macht Merino-Strickwaren (hier:“reading sartre“, h/w 2013/14), mit Understatement und vorwiegend klassischen, unkompliziert tragbaren Teilen.
ALEKS KURKOWSKI aus Polen (jetzt Hannover) schätzt geometrische, schräg und formal verschobene Formkonstellationen und ergänzt die so geschnittenen, avantgardistisch anmutenden Jacken unter anderem mit jenen oben erwähnten Hosen.
CLARA KAESDORF zeigt ebenfalls dekonstruierte Schnitte und Drapagen mit Stoffen, die ein robustes Erscheinungsbild vermitteln. Interessant sind die Digitaldrucke, die bei gleichem Motiv variantenreich mit den ungewöhlichen Schnitten kombiniert werden. Ungewöhlich ist die Konzeption insofern, als die Stücke als Provisorium (Titel: „Profi-sorium, Ästhetik abseits des Perfektionsideals“) verstanden werden, das heißt, die Art des Arrangements der Stücke bzw. ihrer Zusammensetzung ist „unfertig“ und soll vom Träger selbst kreativ gestaltet werden. (a/w2013).
HOWL (Maria Glück) liebt besonders die neue Hosenversion. Ihre Kollektion „we are the woods“ (fw 2013/14) ist inspiriert von Landschaften im Harz und in Brandenburg, Wald, Holz, Moos und Holz. Schurwolle und Seiden als Materialien und folkloristische Elemente in Schnitten und Accessoires bzw. Applikationen bestimmen das ungewöhnliche Gesamtbild. Howl hat bereits eine Auszeichnung bei der Fashionweek in Madrid erhalten.
MICHÈLE CASPERS (hw 2013/14, „Apologus – A different world“) zeigte im Gegensatz zu den anderen ein eher fließendes Design, dem aber ebenfalls geometrische Formen zugeordnet sind. Schillernde Oberflächen in grünen und blauen Tönen kennzeichnen wichtige Aspekte der handgefertigten Drapagen, die stets an Märchenwelten und Meerjungfrauen erinnern. Eine vielleicht etwas versponnene Kollektion, die aber faszinierend daherkommt und sich schnell in der Erinnerung festsetzt.
ICA WATERMELON macht eine Ganzjahreskollektion, die den saisonalen Anspruch mit entsprechend wechselnden Farbangeboten einlöst. Ökologisch hoch ideologisiert findet sich unter den Materialien zum Beispiel auch „Peacesilk“, das ist vegane Seide. Gestalterisch sind die Teile wenig homogen sondern eher kontrastierend in den Materialien und Erscheinungsbildern, ohne dabei Extravaganzen oder interessante Geschmacksaspekte vorzuführen.
TATA CHRISTIANE dagegen sucht interessante Prints, offene Strickexperimente und ungewöhnliche Schnitte geschickt zu kombinieren. Farblich durchaus unkompliziert repräsentierte diese Kollektion den lebendigsten Ansatz, auch wenn diverse Teilaspekte sehr gewöhnungsbedürftige Geschmacksvorstellungen zeigten. Mutig und nicht alltäglich.
TRECHES setzt, neben den besagten Hosen, auf reizvolle Prints und eher leichte Erscheinungsbilder.
Ausserdem sahen wir noch DEEPMELLO und AUGUST. Neben HOWL, ANSOHO und MICHÈLE CASPERS gewann letztere dann ebenfalls die Vorauswahl der Jury. (Die entsprechende Veranstaltung im Rahmen der Berlin Fashion Week findet vom 02.07. bis 04.07.2013 im ´Huxley´s Neue Welt`, Hasenheide 107 – 113 10967 Berlin statt.)
Insgesamt bot die Show viel alternativ-avantgardistische Anmutung, nicht unbedingt sexy, aber doch durchaus mit einer Reihe zukunftsträchtiger Aspekte, mit denen einige der präsentierten Designer sich einig waren und auch eine Chance auf größere Aufmerksamkeit in Zukunft haben dürften.