Berlin Fashion Week aw2019, Supermarkt an der Jannowitzbrücke
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Sein Gespür fürs Elegante gehört zu den wesentlichen Eigenschaften, die dem Wahlberliner eine besondere Position im Kontext der deutschsprachigen Jungdesigner verschafften und für Aufmerksamkeit sorgten. Mit viel Spannung wird daher seinen Kollektionen auf der Berliner Fashionweek entgegen gesehen, wo er regelmäßig mit unterschiedlichen Protegierungen zu sehen ist. Über die Jahre hat sich dabei seine gestalterische Herangehensweise modifiziert, von eher unabhängiger High-Class zu nunmehr trendorientierten Ansätzen, die den Verkauf an ein breiteres Publikum anvisieren, ohne sich dabei verbiegen zu müssen.
Locker fallende Sommerkleider aus eleganten Stoffen dominieren die Kollektion aw 2019 einerseits und gestalterisch Streifenmuster in allen möglichen Ausprägungen andererseits. Die Streifen gehen aus von den Gurten, wie man sie in haptisch ausgeprägter Weise von Marina Hoermanseder kennt und als modischen Print bei vielen anderen Designern wiederfindet. Tomaszewski gewinnt diesen mit variierenden Ordnungssystemen eine breite Palette der Möglichkeiten ab, vom grafisch spielerischen Farbenmix bis zu assoziiertem Korbgeflecht, von Prints bis zu Webtechniken, von abenteuerlichen Wildheiten bis zu streng-klassischen Karos.
Auch der Formenkanon ist breit angesetzt, seine wunderbaren Mäntel behalten auch im experimentellen Umgang stets eine große Classe, viele Kleider hingegen nähern sich in ihrer gezielt reduzierten Lässigkeit nicht selten einem eher schlichten Alltagsanspruch an. Die gepflegte Kunst der Reduktion hat schon bei der Vorbildbewegung bauhaus sowohl zu großen Würfen als auch zu eher banalen Gestaltungsqualitäten geführt, einen ähnlichen Effekt glaubten wir auch bei dieser Kollektion wiederzufinden. Früher wußte Tomaszewski schwächende Wirkungen der Vereinfachung mit großzügigen und mutigen Gesten kraftvoll zu etwas Aufregendem zu drehen, diese Fähigkeit nutzt er nun deutlich seltener, zumindestens zurückgenommener.
Er gehörte schon früh zu den Designern, die mit architektonischen Schichtungen, verwegenen Kombinationen und von der Mode oft unterschätzten Materialien (z.B. Strick) und Verarbeitungen unerwartete und tolle Effekte vorführte, jetzt sind diese jungen Verwegenheiten auf ein nicht mehr überraschendes Maß zurück genommen. Die Zeichenhaftigkeit mit den Streifenexperimenten bestimmt stärker den Wiedererkennungswert als der grundsätzliche Stil und die Integration gängiger Gestaltungstrends (Bänder, Schichtungen, Dissonanzen, stellenweise aufgedröselte Textilien u.v.m.) spielen eine auffällig deutliche Rolle bei den Erscheinungsbildern.
Damit ist der geschmackssichere Dawid Tomaszewki nun offenbar ebenso im Mainstream der gehobenen Klasse angekommen, wie wir das schon bei seinem Landsmann Guido Maria Kretschmer beobachten konnten, der ja mit seinen Haut-Gout-Kollektionen ebenfalls lange Star der Berliner Fashionweek war, bis der Mainstream seinen edlen Luxus eingedampft hat. Unterm Strich verlangt der Geschäftssinn dem Gestaltungsniveau einige Abstriche ab, das ist natürlich nichts Neues. Umso mehr freut man sich, wenn der Luxus des guten Geschmacks und des eleganten Experiments in einer sich anpassenden Kollektion aufscheint. Tolle Accessoires, farblich subtil gedämpfte Großpailetten, kongeniales Schuhwerk, elegante Kostüme und Mäntel zeigen das Können von Dawid Tomaszewski. Das, muss man bei aller Einschränkung zugeben, sind bei seiner Kollektion aw2019 nach wie vor erhebende Akzente und ein ästhetischer Lichtblick im hiesigen Fashion-Trend, der Geschmacksfragen eher ablehnend gegenübersteht. Der modische Balanceakt, das ist klar, ist schwierig zu bewerkstelligen.