Dawid Tomaszewski „APOCALYPSE“
Berlin Fashionweek AW2012
Text & Bilder: Marcello Rubini
Wenn Dawid Tomaszewski seine Kollektion Apokalypse betitelt, ist das nicht unbedingt eine modische Attitüde. Vielmehr sucht er seine Arbeit aus geistigen Vorstellungen entstehen zu lassen, die gerade sein kulturelles Interesse bestimmen. Vornehmlich nimmt er Bezug auf künstlerische Vorstellungen und Strategien, die ihn über seine Beschäftigung mit kunstgeschichtlichen Themen faszinieren bzw. inspirieren. Momentan waren Dekonstruktivismus, analytischer Kubismus und sogar die Romantik offenbar die Musen seiner Gestaltung und ausserdem, wie der Pressetext wissen lässt, auch die Vorstellung von der Erleuchtung in Einheit mit der Apokalypse.
Große Kreise, die hier gezogen werden, man muss aber eigentlich nichts davon wissen, wenn man Tomaszewskis Arbeiten goutiert. Die Anmutung an sich ist schon überzeugend, wenn auch oft überraschend und irritierend. Oft sehen wir auf der Show ungewöhnliche, frappierende Materialzusammenstellungen – zum Beispiel feines Känguru- bzw. Lamm-Leder, schimmernde Metalle, Kaschmir, Wolle, Latex und Swarowski. Schaut man länger hin, funktioniert das meist spannend und gut. Nicht anders bei den Schnitten und Mustern: experimentierende Formenspiele, häufig ausgehend von geometrisierenden Linien, Rastern und Flächen, die sich aber spannend auflösen, weich werden, in Bewegung und ins Fließen geraten und damit ein ganz eigenes Leben bekommen, das gerade den Stücken Seele einhaucht. Und nie bleibt der Anspruch an Eleganz und manchmal sogar Glamour außen vor.
Viele Rückblicke und Rückgriffe tauchen auf und bestimmen die ganze Kollektion. Sogar das britische Karo feiert Auferstehung in gedeckten Blau-Grün-Tönen, das Cape kommt auch wieder, wunderbar große, fast ethnisch-altertümliche Halsreifen, Kleiderformen mit starken Retroakzenten – die Schatzkiste der Wiederentdeckungen scheint groß, die geflochten-strengen Frisuren der Models inklusive. Dennoch gleitet nichts ab in rein plündernde Retrospektive. Knackige, schillernde Hosen, rasante Jacken, gespickt mit großzügigem Fell- oder Federnbesatz, sexy fließende Plisseestoffe, Swarovski-gespickte Strümpfe oder auch solche aus Latex geben der Kollektion den gegenwärtigen Zeitgeist auf den Weg.
All die unzähligen Inspirationen, Rück- und Vorgriffe in Stil und optischer Oberfläche verschmelzen letztlich stets, wie man das von Tomaszewski nun gewohnt ist, zu einer schlichten, nicht einmal allzu raffinierten Eleganz, der nichts zu schade ist. Das Leitthema „Apokalypse“ war schließlich ein Hauch von Düsternis, Auflösung und puristische Schlichtheit, was von der blass angelegten Visagistik und dem dunklen, nur knapp beleuchteten Ort der ehemaligen Heeresbäckerei sehr passend unterstützt wurde. Aus dunklem Nebel tauchten die Modelle auf, gelangten nur stellenweise und kurz in etwas helleres, aber weiches Licht, um dann wieder ins Halbdunkel zu entschweben.
Eine zweifellos ungewöhnliche, mutige und beeindruckende Show, die der eher gleichförmigen Fashionweek im großen Zelt ein individuelles Konzept entgegensetzt und Dawid Tomaszewskis Ruf des außergewöhnlichen Ausstatters im oberen Eleganzsegment alle Ehre machte.
