Chapeau, Maison Michel!

Chapeau, Maison Michel!

Kunsthandwerk präsentiert in Hyères 2019

 
Text und Bilder: Gerhard Paproth
 

Seit 1936 gibt es die Hutmacherei Maison Michel, und die träumt stets aufs Neue davon, dass der Hut über den durchschnittlichen Acessoirecharakter hinauswächst. Als Reflexion auf seine Gegenwart, im Dialog mit den Moden und sich weiter entwickelnd, wie die Köpfe, die er bekleidet.

Doch leider leider hat der Hut in der Gegenwart wenig Chancen auf ein angemessenes Comeback, die modische Kopfbedeckung ist auf das Niveau primitiver Basecaps mit Werbeslogan gesunken – wer mit elegantem Hut in die Öffentlichkeit geht, hat, so unterstellt man, wohl die kritische Altersgrenze überschritten. Vorher noch hatte er bei Männern der Ska-Ära immerhin eine Chance als Spießer-, Kleingärtner- oder Anglerausführung, danach musste er für allerlei Designerkasperei herhalten, bis heute. Bei Frauen waren die Chancen auf ein würdiges Erscheinungsbild noch etwas größer, aber eine Grandezza wie in den Zwanzigern oder frühen Sechzigern war ihm nicht mehr beschieden. Lediglich das englische Königshaus hat ihn nicht aufgegeben und es rüttelt dabei auch nicht am Niveau. Alle anderen Wiederbelebungsversuche der großen Modehäuser erscheinen zwar nicht unbedingt anachronistisch, schaffen aber auch keinen Durchbruch. Obwohl man da wirklich grandiose Stücke sehen kann. Das ist ungerecht und schade.

Dabei haben die großen Designer stets begriffen, dass der Hut ein ebenso krönender Abschluß eines Outfits oben ist, wie die Schuhe unten, tonangebend bleiben auf dem Markt aber stets die Schuhe und nicht der Hut – obwohl der Hut immerhin das Gesicht ziert. Das Handwerk des Hutmachers ist bis auf seltene Ausnahmen ausgestorben, ein paar romantische Frauen, die das noch können oder erlernen, fristen ein eher unbeachtetes Dasein in ihren kleinen Ateliers. Es ist aber, genauso wie Schuhe, in der kunsthandwerklichen Herstellung ein durchaus schwieriges und aufwändiges Fach, besonders dann, wenn komplizierte Gestaltung und komplexe Materialgestaltung ein beeindruckendes Ergebnis hervorbringen sollen.

Das betrifft freilich viele kunsthandwerkliche Modeateliers, von denen Chanel immerhin eine ganze Reihe eigener, höchst anspruchsvoller Zulieferer hat (Mitglieder der „Métiers d’art de Chanel“) und mehr oder weniger am Leben hält. Ein solches Unternehmen darf jedes Jahr in Hyères ausstellen und sich präsentieren, und diese Ausstellungen sind stets atemberaubend. Sie repräsentieren den absoluten Haut-Gout, perfektestes Kunsthandwerk und das Edelste, was man sich gegenwärtig so vorstellen kann. Darüber hinaus wirken sie an den aktuellsten Kollektionen der großen Marken mit, sind also keineswegs nur Verwalter alter, angestaubter Modewerkstätten. Es sind eigenständige Labels mit kreativen Ambitionen im Gegenwärtigen und verarbeitungstechnischer Raffinesse.

Priscilla Royer ist künstlerische Directrice seit 2015-16 im Maison Michel und engagiert sich für zeitgemäßen Kopfschmuck, der auf das Individuum und seinen Stil bezogen ist. Das bedeutet, dass die Zielgruppe Männer und Frauen sind, die starke Individualität verkörpern und dabei sowohl technische Innovation, kulturelle und historische Referenzen und den Kult eigener Attitüde verbinden. Das kommt einem fast wie anspruchsvolle Exzentrik vor.

Aus dem Atelier in Paris kommen spektakuläre Formulierungen in der Gestaltung und die klassischen Normen werden neu aufgemischt. Das kann dann sogar das Basecap als originelle und zugleich elegante Edelfassung betreffen. Die Vielgestaltigkeit der Formen und mögliche Zusätze modulieren die eigentlichen Basics stets neu, ohne den klassischen Qualitätsanspruch aufzugeben. Damit setzt das Maison Michel in seinem Anliegen fort, was der Hut eigentlich immer wollte und sollte, nämlich dem Gesicht in seiner individuellen Besonderheit einen Rahmen zu geben, der es feiert.

Nimmt man diesen Auftrag zum Anspruch, wird deutlich, dass das übliche Bascap und das Kleingärtnerhütchen da eher ein Mißverständnis sind und entsprechend scheitern. Hoch leben die Hutmacher!

 

Chapeau, Maison Michel!

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