MBFW ss2023 – Schüco Showroom Berlin
Bilder: Boris Marberg
Text: Gerhard Paproth
Bei der Anschauung einer Modekollektion ist nicht immer sicher, dass die Inspiration zu den Entwürfen auch in der Wahrnehmung der Erscheinungsbilder eine wichtige Rolle spielt. Bei den Arbeiten von Jennifer Brachmann ist das auch nicht so, obwohl sie sehr von focussierten Interessen auf Architektur bestimmt sind und das Label dies in seinen Mitteilungen immer wieder deutlich herausstellt.
Diese interessanten Informationen haben den Vorteil, dass der Betrachter sich intensiver mit der Machart und der Architektur der Kleidungsstücke beschäftigt und dass außerdem das Kulturgut Mode in einen kulturellen Kontext mit Architekturgestaltung gestellt wird, schließlich sind beide Bereiche von der Anschauung der Hülle im öffentlichen Raum – als Spiegelung oder Vorwegnahme des Zeitgeistes – geprägt. Allerdings kümmert sich die “Mutter der Künste”, die Architektur, wenig um Modeerscheinungen der Zeiten und Orte, umgekehrt entlehnt der Aufbau modischer Kleidungs-Outfits durchaus sehr oft Verfahrensweisen aus der Architekturkonzeption, mit Aufbau, Schichtung, Ordnung, Körper/Volumen, Außenflächen und vielem mehr. Just diese Entwicklungsprozesse, die auch ästhetischen und ideologischen Maßgaben folgen, interessieren Jennifer Brachmann und für jede ihrer Kollektionen sucht sie sich ein Architekturphänomen heraus, das ideell spannend ist und vielleicht Angebote einer konzeptuellen Übertragung birgt, die sie dann erprobt, ohne den geistigen Background des Phänomens auszublenden. Das ist, in Zeiten des Konstruktivismus (und Dekonstruktivismus), ein durchaus spannender Ansatz.
In den Ergebnissen wird die Auseinandersetzung allerdings nur Eingeweihten sichtbar. Das macht die Sache etwas exklusiver, neben der kulturellen Aufwertung. Aber auch der Nicht-Initiierte spürt unbewusst die Nähe zu moderner Architektur: das Konstruktive mit seinen geometrisch geraden Flächen und Körpern, die Strenge und die farbliche Zurückgenommenheit bis hin zu einer sehr formalistischen, manchmal minimalistisch reduzierten Konstruktion verweisen konkret auf eine unpersönliche Visualisierung einer abstrakten Idee. Es ist zu vermuten, dass die sehr treue Klientel des Labels genau diesen Erscheinungsaspekt für sich sucht und beansprucht und stets darüber hinaus mit perfektionistischer Ausführung, ausgesuchter Materialverwendung und gut überlegter Abstimmung bedient wird. Zwangsläufig entsteht daraus auch eine bestimmte, unterkühlte Eleganz, sowohl für die Männer- als auch für die Frauenbekleidung und ein künstlerisch beziehungsweise stilistisch geprägter Bezug zur Epoche der “Moderne” – bzw. Postmoderne.
Auch zu der aktuellen Kollektion, die im Schüco Showroom Berlin vorgestellt wurde, verweist das Label auf die Zusammenarbeit mit Architekturinstitutionen (kuratiert wurde die Veranstaltung übrigens von Constantin von der Mülbe und Tillmann Wagner für die BDA Galerie Berlin). Das Präsentationskonzept war neben dem Schaulauf an sich auch durch große Nähe zu den Modellen geprägt – die möglichst intensive Betrachtung rundum fast so gut wie eine still stehende Präsentation. Und der Schüco Showroom war eine geeignet gewählte Location mit dem Fassadensystem und dem architektonisch prägendem Innenhof.