Ein Interview mit dem holländisch-französischen Duo
Bilder und Interview: Gerhard Paproth
Im vergangenen Jahr haben Rushemy Botter und Lisi Herrebrugh den Grand Prix du Jury PREMIÈRE VISION für ihre Männerkollektion „Fish or Fight“ gewonnen, strahlend und ausgelassen feiernd, dann ging alles Schlag auf Schlag, Schau in Berlin Umzug von Antwerpen nach Paris, weitere Preise, Kollektion für Petit Bateau, neue Sachen fürs eigene Label, Art-Direction-Jobs bei Nina Ricci, zusätzlicher Einstieg bei Accessoires und vieles mehr. Dieses Jahr nun eine erneute Schau in Hyères und Präsenz im Shop mit der neuen Kollektion, die in mancher Hinsicht etwas zurückgenommener in der verspielten Herangehensweise ist, kontrollierter zwar, aber ohne die grelle Kraft und den Touch Streetwear aufzugeben. Im Shop und im Showroom findet man auch die eher populäreren Dinge, Basecaps, T-Shirts, schlichte Accessoires. Der Sprung vom verrückten Studentendesign zur kommerziell orientierten Kollektion ist stets ein komplizierter Balanceakt, den das lebhafte Designerduo auch im Interview vergegenwärtigt.
modaCYCLE: Was hat der Preis euch fürs letzte Jahr gebracht?
Lisi Herrebrugh: Die Entwicklung der neuen Kollektion, Jobs bei Nina Ricci, neue Stores, neue Kunden für Botter, viele Dinge letztlich. Und wir sind nach Paris umgezogen, das war auch nicht ohne.
Rushemy Botter: Wir mussten einerseits eine neue Struktur in unser eigenes Unternehmen bringen, das war vorher etwas offen, andererseits haben wir gelernt, wie es in der Fashion-Industrie selbst funktioniert. Wir waren vorher Studenten, da war es wie in einer Mode-Blase, das ist schon was anderes, wenn man in die Industrie geht.
modaCYCLE: Dieser Preis in Hyères gibt einem also eine echte Chance. Der Sprung in die Industrie ist ja nicht so einfach zu bewerkstelligen.
Lisi Herrebrugh: Also wenn man als Graduate die Schule verlässt ist es nicht einfach. Man findet keinen Job, schon Praktika sind schwierig – also da fühlen wir uns schon sehr privilegiert, dass uns das passiert ist. Und wir fühlen uns auch verbunden gegenüber denen, die nicht in derselben Situation sind. Das alles ist uns sehr bewusst.
Rushemy Botter: Richtig, das vergessen wir nicht und wir müssen auch für die eine Stimme sein.
Lisi Herrebrugh: Es ging schon alles sehr schnell.
modaCYCLE: Was hat sich stilistisch verändert seit letztem Jahr? Wir sehen, der Ansatz ist nun ein etwas anderer geworden, hat der industrielle Anspruch das bewirkt?
Rushemy Botter: Ich denke wir haben uns mehr angestrengt für diese Herausforderungen, wir machen zwar konzeptuelle Kleidung, aber wir machen immer Kleidung, die man tragen kann.
Lisi Herrebrugh: Wir waren nie Designer, die fürs Museum entworfen haben. Dafür sind wir zu sozial verankert, wir werden von den Menschen inspiriert, wie sie leben, wie sie sich emotional äußern, auch von ihren Beziehungen. Das ist relevant dafür, was man tragen kann. Und das geht hin bis zu den verwendeten Materialien. Die müssen unkompliziert herstellbar sein. Auch das war eine Veränderung, denn da muss man eine Brücke zu verrückten Ideen finden.
modaCYCLE: Wie kann man die konträren Pole der freien Kreativität, die ja bei euch sehr ausgeprägt sichtbar ist, mit den kommerziellen Notwendigkeiten unter einen Hut bringen?
Lisi Herrebrugh: Wir haben die Kollektion jetzt mehr oder weniger geteilt. Wir entscheiden, was wir auf dem Laufsteg wollen und daneben das, welche Stücke wir in den Showroom herein nehmen. Im Showroom wollen wir alles Mögliche zeigen.
modaCYCLE: Man zeigt also Sachen um des Schaueffekts willen und im Verkauf alles Mögliche, was man so macht?
Rushemy Botter: Ja, das muss man trennen.
Lisi Herrebrugh: Das hat mehrere Aspekte. Wir brauchen zum Beispiel ja auch Presse. Und die Presse will nicht die T-Shirts sehen, sondern was Extravagantes. Ihr gegenüber ist es ein wenig geben und ein wenig nehmen.
modaCYCLE: Der Umzug nach Paris, war das eine Notwendigkeit?
Rushemy Botter: Nun ja, Paris hat eine Infrastruktur für das, was wir machen und machen wollen, die wir in Antwerpen vergleichbar nicht einmal im Ansatz haben. Das ist uns sehr schnell deutlich geworden. Es war schon die richtige Entscheidung, auch wenn wir damit einiges neu regulieren mussten.
Lisi Herrebrugh: Wir mögen die Stadt auch, das hat uns die Entscheidung erleichtert. Auch wenn wir szenemäßig nicht so viel auf Achse sind, also kulturell und privat nicht so viel herumkommen. Wir leben da etwas zurückgezogener, weil wir viel mit unseren Dingen beschäftigt sind, aber das bringt der Stand der Dinge eben so mit sich und wir sind sehr zufrieden damit. Auch das ist ein Vorteil des eingangs erwähnten Privilegs.
City:
Shop und Showroom:
Das Défilé (hauptsächlich Kollektion für Petit Bateau):