Berlin FW aw2017
Text: Gerhard Paproth
Bild: Andreas Hofrichter
Der Schock war gelungen und die Provokation ausgiebig. Das Atelier um die beiden italienischen Designer Gianpaolo Tucci und Giulio D`Alessio, das in Italien produziert, aber Berlin als Standort angibt, brachte eine Kollektion (TERROR(ism)) auf den Laufsteg, die im Leitmotiv von martialischen Kampfeinsätzen geprägt war.
Es dominierten Kampfjacken, Kampfhosen, Gesichtsvermummung, Munitionsgürtel und -westen, Sprenggürtel, applizierte Symbolik (Blutspuren, abstürzender Bundesadler etc.) ergänzt durch entsprechende Accessoires (Handgranate, Militärsack als begleitende Tasche, Palästinensertuch u.a.) die Präsentation – zumeist in sehr expliziter Erscheinungsform.
In welche ethische Perspektive das Gesamtkonzept eingebunden war, bleibt weitgehend offen, Zeichen für diese oder auch jene (gegensätzliche) Positionierung waren durchaus zu finden – gleichzeitig. Das Ganze, und darin bestand die eigentliche Schockwirkung, verpackt in edle Materialien, schimmernd, weich, sauber, also den Prämissen edlen Designs subsumiert.
Doch entscheidend ist ja nicht, ob und wie es vielleicht „gemeint“ ist, entscheidend ist, wie es ankommt. Und es kommt in erster Linie so an, wie es codiert und aufbereitet ist.
Mode soll zwar den Zeitgeist transportieren und – im Alltag getragen – akzentuiert sichtbar machen, aber sie soll auch unsere Umwelt positiv bereichern, in ihrer inhaltlichen und formalästhetischen Einheit. Und aus dieser Betrachtung gerät die Kollektion von Atelier About in die Zone des Perversen. Die Ästhetisierung von Grauen, Terror und Krieg zum Einen, die Präsentation dessen auf dem Modelaufsteg zum Anderen (der Mix von Musik und Sirenengeheul reflektierte das ebenfalls) erwies sich für viele Zuschauer als Herausforderung. Unreflektierte Claqueure gab es wie immer natürlich auch, aber vorwiegend verunsicherte Reaktionslosigkeit. Nach der Schau gab es schon hie und da engagierte Gespräche, zumeist aber beim Glas Sekt den Small-Talk Übergang zur nächsten Schau.
Wenn Modedesign tabubrechend das Grauen und Elend der Welt designerisch veredelt und damit auf Aufmerksamkeit setzt, kippt das Ergebnis leicht in propagandistische Bereiche, oder in nivellierende Beliebigkeit.
Wenn das der Zeitgeist ist, muss man sich ihm widersetzen.
Ähnliche Erfahrung haben wir in den 80ern mit Oliviero Toscanis Benetton-Werbung gemacht, aber hier wurde bei längerem Nachdenken deutlich, dass das Anliegen ethisch grundsolide und engagiert war. Als hochproblematisch ist das Konzept dennoch in die Werbegeschichte eingegangen. Dieses Niveau kann die gezeigte Kollektion von Atelier About nicht erreichen.
Wir (die Redaktion) sind uns einig, dass das, was beim Zuschauer ankommt, zählt: Das Grauen der Welt in Designerästhetik zu verbrämen, erscheint als ein propagandistischer Prozess mit entsprechendem Wirkungsergebnis.
Wir glauben auch, dass angewandte Kunst sich nicht verwechseln sollte mit freier Kunst, die schon per Definition andere Spielräume und gesellschaftliche Vergegenwärtigung nutzt.
Und weil wir diese Schau in den entscheidenden Aspekten kontraproduktiv und bedenklich subversiv finden (sie negiert das konstruktive Selbstverständnis von Modedesign), verzichten wir darauf, sie an dieser Stelle mit „schönen Bildern“ zu wiederholen.