Berlin Fashion Week SS2025 – Notagallery
Fotos: Boris Marberg für BFW
Text: Boris Marberg und Gerhard Paproth
Seit nun mehr als 10 Jahren werden die beiden Designer Jale Richert und Michele Beil mit ihrem Label in Berlin als Protagonisten einer Strömung typisch Berliner Stils wahrgenommenen. Als geförderte Gewinner des „Berlin Contemporary“ sind die Erwartungen des Publikums hoch, zu sehen, was als subversiver Beitrag zur modischen Entwicklung dargeboten wird.
Bei Bademoden und Berlin denken vielleicht viele Zeitgenossen an den Schlager „Pack die Badehose ein“ von Conny Froboess – das idealisierte Bild von Frohsinn – oder sie denken an die immer wieder aktuellen Randale in den Freibädern in Berlin, die mittlerweile zu Ausweispflicht und Millionen-Investitionen in die Sicherheit geführt haben. Ambivalenz ist bei dem Thema Badespass in der Öffentlichkeit vorprogrammiert. Nichts von dem spielt hier aber eine Rolle und das ist auch nicht zu erwarten.
Immerhin macht das Label Badekultur zum Thema, es gibt in der kargen Location ein Strandambiente der Bühnenbildnerin Stefanie Grau: mit Reihen weißer Plastikstühle und etwas, das wie ein Strandclub aussieht, ein Getränkestand beziehungsweise ein Fischbrötchenstand. Das überrascht in Kenntnis des Label-Stils schon – schließlich denkt man bei Gothic oder SM nicht im Entferntesten an Bademode in Badeanstalten oder an der Côte d’Azur. Ehrlicherweise ist das, was Richert Beil vorführt nun auch keine strandtaugliche Badekollektion, sondern Ergebnis eines ziemlich humorvollen, fast grotesken Gedankens, einen thematischen Focus zu kreieren, um den herum die beiden Designer ihre eigenen modischen Ansätze und Themen ausloten. Schon damit schwingt schmunzelnde Subversivität mit. Die Alltagstauglichkeit der Kreationen beschränkt sich, sofern sie überhaupt eine Rolle spielt, nach wie vor auf den ästhetischen Kontext des sozio-gesellschaftlichen Milieus, in welchem sich die beiden verorten. Dazu gehören entscheidend die Berliner Clubkultur und die SM- beziehungsweise die Post-Goth-Szene. Das sind die Modegene von Richert Beil, die im Wesentlichen unverändert bleiben. Und das ist die Kundschaft, die hier interessante Geschmacksprägungen und kreative Ideen findet.
Fritze und Lieschen Müller bleiben besser zu Hause.
Latex, Kunststofffolien, Neopren und viel Denim als häufig ausgespielter Textil-Kontrast dazu: das sind die Materialien, welche für die Umsetzung von klaren Linien und geradlinigen Schnitten verwendet werden. Glatter Glanz trifft oft auf strukturiertes Gewebe. Aber auch Transparenz darf sein, Kunststoff macht das leicht. Die Farbpalette ist szenebedingt reduziert, eigentlich gar nicht vorhanden, Schwarz plus Jeans-Blue. Bei den Silhouetten bleibt die Gestaltung eher kastig gradlinig. „Normale“ Hemden oder T-Shirts finden sich auch in den Outfits, ob als Kontrast oder als Brücke zu gewöhnlicher Alltagskleidung bleibt unklar. Eine an PVC erinnernde kurze Regenjacke mit Kapuze fällt ins Auge, ebenso der schwere, schwarze fast bodenlange (Bade-)Mantel aus Neopren mit glänzender Oberfläche, Matrix läßt grüßen und ist immer noch up-to-date.
Das Richert-Beil-Programm steht für Abgrenzung und ostentative Individualität, für subversive Mode-Statements. Das „Gewöhnliche“ wird hinter sich gelassen, die Gestaltung verortet sich im kreativen Szene-Underground. Das Label bleibt sich damit treu und bedient konsequent sein angestammtes Publikum.
Erstaunlicherweise geht das sogar mit Bademode.