Hyères 2021: Schau der Wettbewerber

Hyères 2021: Schau der Wettbewerber

36. Festival de Mode, de Photographie et d‘Accessoires de Mode, Hyères, Oktober 2021

 

Text und Bilder: Gerhard Paproth

 

Die Abschlussschauen sind das alljährliche Highlight des Festivals. Sie bestehen aus drei Abschnitten: Schau der aktuellen Wettbewerber, Schau für den Prix Chloé und Schau des letztjährigen Siegers des Grand Prix du Jury , in diesem Falle von Tom van de Borght. Wir zeigen zunächst die große Wettbewerbsschau und ergänzen die Schauenbilder nachfolgend mit den Bildern der Präsentationen, denn die Wirkung der Kleidungsstücke kann dabei schon sehr verschieden ausfallen. Und stellen die Künstler mit ihren Konzepten vor.

Der diesjährige Gewinner ist der Londoner Designer Ifeanyi Okwuadi mit seinen nachhaltigen Kreationen – einer Kollektion, die entschieden weniger bunt und opulent daherkam, als die der Sieger der letzten Jahre. Ob der Grad der Nachhaltigkeit hier eine entscheidende Rolle gespielt hat oder ein optisch neuer Trend zum Unaufdringlichen sich abzeichnet, ist noch nicht offiziell begründet, immerhin ist Farbenfreude und Üppigkeit auch dieses Jahr bei vielen der Jungdesigner noch angesagt. Erstaunlich viele Entwürfe für Männer waren vertreten (die Hälfte sind sogenannte Männerkollektionen), wenn auch manchmal eher im Transgendersinne ausgelegt. Aufwändige Handarbeit mit Häkeln, Stricken und Applizieren prägen viele Gestaltungen und Nachhaltigkeit ist, in welchem Sinne auch immer sie verfolgt wird, ein Muss für alle. Geschlechtsbezogene Sexyness spielt kaum noch eine Rolle, in den meisten Fällen sind männliche und weibliche (etc.) Modelle in diesem Sinne austauschbar. Bestenfalls formauflösende Bustiers von Elena Silina haben es noch geschafft. Dagegen sind die entsetzlichen Radlerhosen offenbar nicht tot zu kriegen und auch der ehemalige Punk-Look des Zerissenen überlebt beharrlich in unzähligen Variationen.

Qualitativ lagen, so zumindestens unser Eindruck, die Wettbewerber dicht beieinander, individuell und sehr verschieden sind sie alle unbedingt, aber herausfallend exzentrische Gestaltungsansätze gab es eher nicht, wenn man einmal von der Plüschtierkollektion von Venla Elonsalo absieht. Es setzt sich auch die Linie fort, mit Materialien zu experimentieren, dagegen scheinen die konstruktivistischen Architekturexperimente jetzt weniger relevant.

Auffällig sind viele Kopfbedeckungen, der elegant klassische Frauenhut bekommt nicht selten eine karnevaleske Note, er wird zumindestens als elegantes Accessoire nicht ernst genommen und auch von Männern unbefangen genutzt. Das mutet schon seltsam an, auch wenn Blixa Bargeld den irritierenden Effekt schon vor 20 Jahren ausspielte. Aber auch in anderen Varianten scheint sich da eine neue Selbstverständlichkeit in Optik, Ästhetik und Bedeutung des Hutes noch nicht etabliert zu haben – die lange Tradition der Herrenhüte verlangt da schon neue, tragfähige, alltagstaugliche Vorschläge und auch Damenhüte haben eine aufregende Geschichte mit absoluten Highlights hinter sich, auch in poppiger Ausführung.

Für Schuhwerk gilt Ähnliches. Immerhin haben die Designer sich nun von den schweren, bollerigen Schlachtschiffen verabschiedet und suchen nach neuen Gestaltungslinien. Farbig oder bunt passend zur Kleidung sind sie auch für Herren kein Problem, der Schnitt ist manchmal übermäßig aufgeblasen, wenn auch nicht ohne Witz. Die Models demonstrierten, dass es sich nicht so selbstverständlich damit geht.

Doch das sind Beobachtungen am Rande. Spannend sind die Zielsuchen der Designer mit jeweils unterschiedlichen Ansätzen und Entwicklungen, jeder ist weit weg von dem, was man als eine „allgemeine Linie“ oder Trend bezeichnen könnte und doch auf seine Weise mit bestimmten Zeitgeistaspekten verbunden. Daraus zieht die Veranstaltung letztlich ihre große Attraktivität und hält einen Facettenreichtum der gegenwärtigen Modegestaltung bereit, der nicht nur neugieriges Publikum anzieht, sondern auch und gerade die Profis, die hier künftige Konzepte und Künstler suchen, finden und engagieren.
Das Erstaunlichste an alledem ist, dass die Atmosphäre des Ganzen nicht von Ernst, Karrierismus, Snobismus und Hochexclusivität gekennzeichnet ist, sondern durch Lockerheit, echte Freundlichkeit, Lust auf Sinnlichkeit und entspannte Gespräche. Der Ort trägt das Seine dazu bei und letztlich das schöne Wetter auch.

Alles in Allem bleibt festzuhalten, dass Buntheit und fantasievolle Schnitte und Kombinationen noch immer die gegenwärtige Lebensfreude und Vielseitigkeit in der Mode repräsentieren, das macht schon Spass zu schauen – umso mehr, als das später im Alltag so kaum ankommt. Trotzdem rückt dieses Jahr, so scheint uns jedenfalls, Konzeptreichtum und -vielfalt stärker ins Zentrum als sonst. Die Zielgruppen werden auch so extrem unterschiedlich, das heisst individueller.
Und die Juryentscheidung für den ersten Preis scheint das zu bestätigen, nicht mehr laut und bunt ist der Beschluss, eher eine besonnenere Haltung im sozialen Kontext. Sie  läßt eine Rückbesinnung auf etwas verhalteneres Vergnügen und sachgerechte Klugheit vermuten, was der Lebensfreude ja keinen Abbruch tut – und das ist durchaus eine gute Zeichensetzung, die auch vom Publikum begrüßt wurde.

Wir zeigen im ersten Abschnitt die Schau der Wettbewerbskandidaten und in einem zweiten stellen wir die Designer etwas näher vor.

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Sofia Ilmonen, Finnland (collection femme):

Hyères 2021: Schau der Wettbewerber

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Hyères 2021: Schau der Wettbewerber

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Arttu Åfeldt, Finnland (collection homme):

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Rukpong Raimaturapong, Thailand (collection homme):

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Venla Elonsalo, Finnland (collection femme):

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Elina Silina, Lettland (collection femme):

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Mateo Velasquez, Kolumbien (collection homme):

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Mengche Chiang, Taiwan (collection homme):

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Ifeanyi Okwuadi, Großbritannien (collection homme):

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Laima Jurca & Marta Veinberga, Lettland (collection femme):

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Adeline Rappaz, Schweiz (collection femme):

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Sofia Ilmonen:

Sofia Ilmonen hat den „Mercedes Benz sustainability prize“ dieses 36. Hyères-Festivals gewonnen. Sie hat ihre Ausbildung in Finnland an der Aalto Universität und am London College of Fashion absolviert, in London lebt sie auch. Sie wurde schon vom Wonderland Magazine als ‚Ones to Watch‘ und von Vogue Italia als eine der ‚200 Emerging Designers‘ ausgezeichnet. Not Just a Label hat Sofia zu einer der Black Sheep Designers gemacht und ihre Arbeiten wurden auch in der britischen Vogue, Vogue Italia, I-D und Garage gezeigt. Ihr Interesse, unabhängig von der Nachhaltigkeit ihrer Produkte, gilt einerseits der Verwandlung der ebenen Stoffläche in reliefartige Strukturen und thematisch einer romantisch-nostalgischen Vorstellung von Kleidern. Die entsprechenden Bezüge zu modegeschichtlichen Epochen und Erscheinungsbildern prägen die gesamte Kollektion. Ihre entsprechenden Schnitte werde zusätzlich durch die linearen Strukturen der Besätze akzentuiert, die den Outfits eine recht klare Strukturierung im romantischen Gesamterscheinungsbild vermitteln.

Hyères 2021: Schau der Wettbewerber

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Arttu Åfeldt:

Das Schillern der Anthrazitfarben ist das Auffälligste der Kollektion, die im Schnitt sehr streng erscheint und die Idee des Mäneranzuges noch als Grundlage erahnen läßt, auch was die Vorstellung von Eleganz betrifft. Alle Stoffe haben Nadelstreifen. Die kurzen Hosen brechen den klassischen Effekt aber entschieden, oder, wenn man so will, modernisieren ihn. Desgleichen aufgesetzte, überdimensionierte Taschen.

Die voran gegangene Kollektion war von Jungen-Schuluniformen inspiriert, diese aktuelle scheint den Typus mit neuen Vorstellungen fortzusetzen. Nach eigener Auskunft geht es aber nun wesentlich um die Idealgestalten aus seinen Lieblingsvideospielen und ihrer charakteristischen Erscheinungen. Kleidung in Videospielen folgt einem eigenen, ästhetischen Ideal-Kanon, zwar abgeleitet aus Mode der authentischen Welt, aber dennoch anders. Sie versteht sich quasi als separates Modeuniversum. Glatte Materialoberflächen („Skins“) sind wesentlicher Teil dessen. Diese Styles und Oberflächen mit „wet look“ greift Arttu Åfeldt konkret in dieser Kollektion auf.

Die Materialien seiner Kleidungsstücke sind ein Mix aus Funktionsstoffen, die beispielsweise bei Nässe ihr Aussehen verändern. Die glatte, schillernde und auch wasserfeste Oberfläche erzielt der Designer oft selbst, indem er die Stoffe per Hand in einem eigenen Verfahren laminiert. Sie werden verklebt und nicht genäht („heat transfer vinyl finishing“).

Arttu Åfeldts Arbeit lässt sich also so verstehen, dass die künstliche, glatt aufscheinende Oberfläche der digitalen Kleidung nun in eine reale überführt wird und damit die digitale Mode-Ästhetik, die die junge Generation zunehmend assimiliert hat, nun in die authentischen Modewelt eingeführt wird.

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Rukpong Raimaturapong:

Geprägt von einem Mix aus kräftigen Farben, darunter viel Pink und Grün, Gelb und Blau ist die Kollektion von Rukpong ein Ausdruck lebensfroher, optimistischer Weltsicht. Stets werden Farben gegeneinandergesetzt, gewebt oder aneinandergenäht oder einfach in der Kombination kontrastierender Teile. Aber darüberhinaus führen auch andere Kontraste lebendiges Miteinander, schimmernde (handgewebte Seide) und stumpfe Textiloberflächen, verschiedenste Webstrukturen und überraschende Applikationen.

Insbesondere für eine Männerkollektion ein mutiges Farbenfest.

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Venla Elonsalo (Wearable Soft Toys Kollektion):

Erst dieses Jahr hat Venla Elonsalo ihren Abschluß an der Aalto university of art, design & architecture Helsinki gemacht. Als „Wearable soft toys“ bezeichnet die Jungdesignerin (die eine umfangreiche Teddybärensammlung hat) ihre Arbeiten. Das spielerische Gestaltungskonzept setzt sie mit großem handwerklichen Aufwand und gestalterischer Schlüssigkeit um, so dass die eher kindliche Ausgangsidee zu einer gewissen Ernsthaftigkeit gelangt. Das Grundverständnis von Volumen als skulpturale Formulierung des Ganzen inklusive eines Transfers vom Kleidungsstück zum Kuschel-Objekt führt letztlich zu einem stimmigen Konzeptganzen, ohne intuitive Gestaltungsanteile zu negieren. Diese Hin- und Rückübertragung führt zu einer recht überzeugenden Identifikation des Besitzers mit den Symbolen seiner Sehnsucht über die Kleidung.

Es gelingt der Jungdesignerin damit, die nostalgische Sehnsucht Erwachsener nach Kinderwelt auf eine Weise zu konkretisieren, die neben dem eskapistischen Verlangen auch einen gewissen Witz zuläßt und zugleich unmißverständlich konsequent bleibt. Eine radikale Positionierung, die „das Erwachsene“ durchaus infrage stellt.

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Elina Silina:

Elina Silinas Kollektion ist wesentlich gekennzeichnet von Strick- und Häkelarbeit, bei der sie Transparenzen und viele offene Stellen nutzt, um mit den entsprechenden Effekten des Durchscheinens komplexe Gebilde zu schaffen. Der Effekt des Aufgelösten wird unterstrichen mit Fäden und Bändern, die überall lose herumbaumeln. Im Kontrast dazu gibt es aber auch fest gestrickte Elemente, die Bustiers beispielsweise, die den losen Architekturen Halt geben. Das Ganze ist in hellen tonalen Paletten angelegt, die ebenfalls leicht, aber auch bunt daherkommen. Mohair-Lammwolle, Seide, Baumwolle und Merino-Mohair sind geläufige Materialien, aber auch Recyclingprodukte wie zum Beispiel Schaumgummi oder überschüssiges Vinyl-Kunstleder sowie handgefertigtes Organza finden Verwendung.

So entstehen sehr detailreiche, geradezu versponnene Kombinationen, die zu sehr romantischen Gebilden herangewachsen sind. Elina Silina beschreibt den Entstehungsprozess als tagträumerisches Vor-sich-hin-Stricken, das durch viele nostalgische Anteile geprägt ist.

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Mateo Velasquez:

Mateo Velasquez ist zwar in Kolumbien geboren, hat aber seine Ausbildung in London gemacht und lebt auch dort. Ausgangspunkt seiner Arbeiten ist ein Crossover von Punk – Tropicanastyle – Glitterrock – Lederfetisch – Konstruktivismus. So entstehen erfindungsreiche, manchmal geradezu schrille Mixturen in Materialien, Farben und vor allem Stilkonnotationen, die in ihrer Kombination aber nicht zerfallen sondern sich zu einer geschmackssicheren Synthese verbinden. So etwas wie Glamour-Punk gab es zwar schon, Velasquez führt die Vorstellung aber auf eine neue, innovative Stufe, die sich zeitgemäßer Realisationsstrategien bedient und zugleich auch die LGBTQI+ Communities begeistern kann.

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Mengche Chiang:

Der Künstler sieht die umgebende Welt als Chaos und seine Arbeit als eine Assimilation desselben, um neues Chaos daraus zu machen. Diese Assimilation bringt es mit sich, dass er aufgelesene Sachen (2nd Hand Kleidung, erstandene Flohmarktstücke etc.) auch neu verwendet, in der Absicht, verschiedene Orte und Situationen zusammen zu bringen. Dabei hat Paris ihn besonders inspiriert. Gestalterisch liebt er große Volumen, allerdings aus luftiger Ballonseide, und schwere Stoffe beziehungsweise Materialien im Kontrast. Collagenhaft führt er alles zusammen, die lockeren Schnitte scheinen sich von selbst zu ergeben und die Kombinationsästhetik wohl eher auch. Aus der Balance zwischen Chaos und kombinierender Beherrschung entstehen diese exzentrischen Kleidungsstücke mit dadaistischer Note, der Gegenwart entnommen und wieder zugeführt.

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Ifeanyi Okwuadi:

Okwuadi, 27, ist ein in Nordlondon ansässiger und ausgebildeter Schneider mit Sierra-leonischer und nigerianischer Abstammung. Seine Kollektion ist ein militärisch inspiriertes Manifest für Herrenmode und Frieden, mit eingearbeiteten Spielzeugautos als Broschen oder Aufnäher, die er bei eBay erstanden hat. Im Katalog wird dies als „Take the Toys From the Boys“ umschrieben.

„Es bringt ein Element der Kindheit in die Kollektion, und ich habe das Gefühl, dass wir von den ursprünglichen Werten der Pfadfinderbewegung heute lernen können“, sagte der Designer während eines Showroom-Besuchs. „Ich denke, es ist ziemlich komisch, etwas stereotyp zu haben, von Silhouette und Design, das für den Krieg gedacht ist, es ist aber auch ein Spiel der Provokation und veränderter Proportionen und Materialien, die dem Design Weichheit verleihen und Dualität und Kontrast erzeugen“, sagte er. „Aber ich habe wirklich das Gefühl, wenn etwas funktional ist und einen Zweck hat, also wenn man von diesen Grundlagen ausgeht, kann man wirklich nichts falsch machen. Unsere Kleidung muss heute Lösungen bieten und einen Zweck und eine Absicht haben“. *)

Mit dem ersten Preis der Jury fällt damit die Entscheidung nicht auf ein offenkundig extrovertiertes Konzept explosiver Lebensfreude wie die Jahre zuvor, sondern vielmehr auf ein schlichtes, eher von englischem Understatement geprägtes, kluges und hintersinniges Herangehen, dessen vergnüglicher Aspekt sich erst bei näherer Betrachtung offenbart.

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Laima Jurca & Marta Veinberga (The Collective Blanket):

Wie auch im aufschlussreichen, schön konzipierten Begleitheft dargelegt wird, arbeitet das Duo mit einer imaginären Verbindung zwischen dem Westlichen Kapitalismussystem und dem Sowjet-Regime. Diese Opposition ist einerseits beschrieben als Überproduktion von Dingen und andererseits Warenknappheit. Die Begehrlichkeiten in beiden haben ebenso verschiedene Ausprägungen. Die Visualisierung der Traumversion von Popkultur und Massenkonsum und der Überreste der Idee von sowjetischer Umweltästhetik prägen diese Kollektion auf einfallsreiche Weise.

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Adeline Rappaz:

Sie galt schon in ihrer Ausbildung als perfektionistische Schneiderin und die beharrliche Ausführung im Kleinen läßt das in dieser Kollektion erahnen. Und aus der liebevollen Addition unzähliger Details beziehungsweise Elemente entwickelt Adeline Rappaz jeweils großzügige und stimmige Kleidungsstücke, die wesentlich von dieser Finesse geprägt sind und die dann aber auch in Schnitt und Silhouette schöne Ideen, genaues Gespür und sicheren Geschmack fürs Ganze repräsentieren.

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