Das Narrativ der Emotionalität in der Mode. Berlin Loewesaal.
Text & Bilder: Boris Marberg
Eigentlich war es eher ein Volksfest als eine Modeschau im gewohnten Sinne. Publikum lief einfach auf dem Laufsteg herum, Beifall für mittelmäßige Schauen war frenetisch begeistert und alles war schön, auch wenn es das gerade nicht war. „Fashion Hall“ – ein großer Titel für eine Parallelveranstaltung zum offiziellen Fashionweek-Programm. Es war Brot fürs Volk.
Die Fashion Hall in Berlin in ihrer 11. Fassung fand im Löwe Saal in Berlin statt. Geboten wurde ein weites Feld an internationalen Designern, welche ihre Kreationen dem Publikum präsentierten. Dabei zeigten Designer in einem weiten geographischen Bogen von der Karibik über Zentralasien bis Vietnam ihre aktuellen Kreationen und ihr ästhetisches Verständnis von Mode.
Fünfzehn Designer, respektive Marken präsentierten in den Ludwig Löwe Höfen in Berlin. Über einen Lastenaufzug ist dort ein gewerblich geprägter Veranstaltungsraum zugänglich, in welchem ein Laufsteg und Präsentationsraum aufgebaut war. Hier wurden vierzehn Marken in einer einzelnen Schau präsentiert. Diese wurde durch eine angenehm kurze Pause in zwei zusammenhängende Teile gegliedert.
Dabei mischte sich geladenes Publikum mit solchem, welches Tickets für die Veranstaltung erwerben konnte. Dies machte eine spannende Mischung und Heterogenität aus und war auch maßgeblich für die Gesamtstimmung bei der Veranstaltung.
In Bezug auf das präsentierte Modedesign kann man attestieren, dass robustes Handwerk präsentiert wurde, welches in der Spannbreite von repräsentativ ausgerichteter Abendmode für Damen bis zum Büro-Kostüm reichte. Eine stilistisch eigenständige Gruppe bildete osteuropäisches und zentralasiatisches Design. Dieses ist sehr oft stark von einer folkloristischen Ausgestaltung und interpretativen Form geprägt. Die Anlehnung an Trachten ist dabei oft im Sinne deren völkischer Wahrnehmung und Ausgestaltung sinnstiftend. Dabei soll der Begriff „völkisch“ hier wider die negative Deutung von Günter Hartung zu verstehen sein, also in Sinne einer positiven (auch über Grenzen hinweg) Identität stiftenden Ausprägung.
Demzufolge orientiert sich die Einordnung der präsentierten Mode an dem globalen Verständnis, einem nivellierten Verständnis von Ästhetik. Falsch, oder unästhetisch ist in diesem Kontext an der gezeigten Mode wenig, zumindest wenn man die grundlegende gefühlsmäßige Wahrnehmung, respektive den weiteren komplexeren emotionalen Kontext heranzieht. Eine rein rationale, formalistische Betrachtungsweise würde dem selbstverständlich massiv widersprechen. Aber wie zeigt sich dies in der konkret präsentierten Mode? Spannend ist, dass über ganze Kontinente hinweg in diesem Segment des Modedesigns sich Übereinstimmungen zeigen. Zum Beispiel, dass es allem Anschein nach ein mannigfaltiges Bedürfnis für repräsentative Damenmode bei Abendanlässen gibt – auch wenn derartige Veranstaltungen im Verhältnis zu den rational gegebenen Gelegenheiten selten vorkommen, welches emotional befriedigt werden will und als „schön“ in der Ausgestaltung empfunden wird. Ein Phänomen, das sich auch bei exklusiveren Modelabels immer wieder findet, obwohl rational die meiste Bekleidung, die getragen wird, zu einem völlig andern Zweck bestimmt ist. Das Exklusive bestimmt also oft allem Anschein nach das Gestalterische, beziehungsweise weist diesem einen höheren Wert zu. Die funktionelle Alltagsbekleidung hat demzufolge einen „geringeren“ Stand. Spannend ist bei dieser Betrachtung aber, dass hier wohl viele Aspekte des magischen Bewusstseins, respektive Denkens eine Rolle spielen (vgl. Jean Piaget – Paradigmatische Experimente). Das bedeutet, es wird geglaubt, dass (eine Determinierung der Ästhetik) etwas so sein muss. Schön ist, was so empfunden wird und nicht, was per rationaler Definition schön ist im formalen Sinne.
Dieses aufgreifend war bei der Veranstaltung die Spannbreite dessen, was schönes Modedesign ist, weit und das Publikum hatte sichtlich Freude daran (das Grundgefühl – „es ist gut“), was gesehen und präsentiert wurde. Der Wertungsmaßstab ist dabei kollektiv und individuell zugleich.
Über dieses Narrativ des Gestalterischen in dieser Mode hinaus kann man festhalten, dass das Modehaus Haye aus Hamburg mit seinem grundsoliden Look auf die Geschäftswelt, als auch vereinzelt die Marke Neun Sinne sehr glaubhaft ihr Konzept im funktionalen Sinne vermitteln konnten. Andere Marken hingegen haben sich vielfach in emotionalen Interpretationen verstrickt – sie haben oder wollten Lebensfreude vermitteln – konnten allerdings oft nur eine Projektionsfläche bleiben. Entscheidend ist hierbei, dass Erwartungen erfüllt wurden und eine hohe Identifikation und ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt wurde. Untermauert wird diese Wahrnehmung durch spontan geäußerte Reaktionen auf die gezeigte Mode, wie „(ich glaube,) das ist schön“, oder „das hat mir sehr gefallen“.
Hieraus kann man ableiten, dass sich die Veranstaltung und die gezeigte Mode auf ein breites positives Resümee abstützen kann, welches durchgängig emotional, nicht aber rational begründet ist. Das Publikum hat sich verstanden und „bedient“ gefühlt in seinen Erwartungen. Und das Publikum gibt dies auch wohlwollen an die Designer zurück, die präsentiert hatten. Die Veranstaltung gewinnt damit seine Legitimation und ist sehr nah beim Publikum, welches sich verstanden und in seinem Sinne für Ästhetik bestärkt und gesehen fühlt. Das Publikum bestimmt somit hier, was es als schön und lobenswert empfindet und womit es sich kollektiv identifizieren kann und es nimmt das Entstehen von Gemeinsamkeit wahr.
Zu einem schönen Abschluss wurde die Gesamtschau durch das Berliner Label Rodan Design mit seinem Ansatz gebracht, dass alles was an Mode schon da war, „entsorgt“ werden könnte und wieder aufbereitet werden kann (und muss) um etwas Neues zu gestalten und zu konsumieren. Alles was davor gezeigt wurde steht demzufolge also zur Disposition und kann in einem radikalen Erneuerungsprozess zu etwas Originären umfunktioniert werden. Auf die Spitze getrieben war alles voran Präsentierte überflüssig und wird erst jetzt zur Mode, wenn der Neu-Konsum negiert wird.
Basia Olearka
Coco
Kamila Froelke
BERDIYEVA MAYA & HAJYYEVA ORAZGUL
AYDARHAN KALIEV
ALIYA SAGDI
Amarilis Design
NEZIRI
Neun Sinne
MARCO MARCU
Kukla
TAM URBANEK
Haye Fashion
RODAN DESIGN