Kamo for Haider Ackermann
Text und Bilder: Gerhard Paproth
„Ein flüchtiger Moment für eine beständige Mode“ ist die Installation überschrieben; bei der Suche nach einer bestimmten Eleganz versuchte, nach eigener Auskunft, Haider Ackermann einerseits den Austausch zwischen modeästhetischen Konzepten, die ihn beeindrucken, zu initiieren. Andererseits wünschte er sich dabei einen Moment des Chaos „durch die rebellische Vision eines Kamo“ (georgischer Revolutionär, ein Meister der Verkleidung). Insofern ginge es ihm mit der Installation nicht um Stellungnahme zu Bekleidung selbst, sondern um imaginäre Bezüge. Soweit die etwas kryptischen Anmerkungen in der Ausstellung selbst.
Die Idee, Modegestaltung frei als künstlerisch-abstraktes Terrain zu nutzen und daraus die verschiedensten Codes und Elemente zu neuen Kompositionen zu nutzen, birgt faszinierende Optionen. Als „Lien imaginaire“ wird der Bezug zwischen Bekleidung, Ästhetik, Pragmatik, soziokulturellem Kontext, Bedeutung und Kunst neu gemischt und zu einer Art surrealen Konstellation ausgearbeitet.
Die Installation deutet auch semantische Imaginationen an: Völlig verschiedene zeitgenössische Modeströmungen verbinden und konfrontieren sich zu einem phantasievollen, lockeren und auch offenen Ganzen. Dies verleiht den Teilen der verschiedensten Modedesigner*) erweiterte Wahrnehmungsaspekte und Interpretationen, ohne ihre Eleganz zu opfern. Die wird eher noch kontrastierend gesteigert.
An der Stelle, wo das Angewandte des Modedesigns mit dem Impetus Freier Kunst neu aufbereitet wird, verwischt die klassisch unterscheidende Grenze. Natürlich versuchen gute, mutige und experimentierfreudige Modedesigner stets, das Künstlerische der Arbeit an den Grenzen des Tragbaren auszuloten, mit dieser Installation ist Haider Ackermann aber ein komplexerer Ausflug ins Fantasieland gelungen, ohne den Bezug zu Gegenwartsrealitäten zu verlassen, soweit sie durch Mode sichtbar werden. Ein ziemlich faszinierendes ästhetisches Experiment.
*) Beteiligt: Madame Grès, Undercover, Louis Vuitton – by Nicholas Ghesquière, Rick Owens, Azzedine Alaia, Hermès – by Martin Margiela, Olivier Theyskens, Haider Ackermann