AW2018 Berlin, Österreichische Botschaft
Text: Gerhard Paproth
Bilder: Andreas Hofrichter
Das Engagement von Botschaften in Berlin, Designern ihres Landes einen Ort der Präsentation zu geben, ist sicher eine lobenswerte Entscheidung, denn beide können von solch einer Kultur-Veranstaltung profitieren. Und für die Besucher kann sich darüber hinaus ein sehr angenehmes und ambitioniertes Ambiente – auch dank schöner Räumlichkeiten – auftun. Bei der Liaison zwischen Österreichischer Botschaft und der Designerin Rebekka Ruétz hatte man allerdings den Eindruck, dass es auch umgekehrt geht, die Gesamtgestaltung des Events war in vieler Hinsicht ambivalent angelegt und hinterließ gemischte Gefühle. Das fand seinen konkretesten Ausdruck darin, dass die Medien den ungünstigsten Ort des Defilés durch verschiedene Räume zugewiesen bekamen, den man sich für schöne Fashionpublikationen ausdenken kann.
Mit der Erprobung eines neuen Präsentationsortes ging auch eine neue Ausrichtung gestalterischer Ideen der Designerin einher, wie auch bei vielen anderen Designern (Hoermanseder, Tomaszewski, Luft u.a.) in dieser Saison. Hinwendung zur Streetwear beziehungsweise Streetstyle, Disco und Berliner Start-Up-Kultur prägen die Leitgedanken nicht unwesentlich und führen oft zu seltsamen Blüten. Klar ist, dass das Terrain von vielen Designern noch eher unsicher bespielt wird, aber auch Raum für Experimente aller Art öffnet.
Das kann man bei der aktuellen Kollektion von Rebekka Ruétz ganz gut verfolgen, die ästhetischen Codes werden neu gemischt und mutig aufbereitet. Dabei scheint ihre bekannte elegante Ästhetik nur noch manchmal durch – meist wird sie nun gebrochen. Disco-Glamour nimmt Einzug, schillernde aber sehr steife Kunststoffe kombinieren sich mit weichem Strick oder Pelz, knackige Outdoorjacken mit langen, romantischen Countrykleidern und engen Lederhosen, aggressive Schlagwortprints mit kuscheligen, femininen Pullovern. Ein paar schicke Sachen (im klassischen Sinne) tauchen dabei auch auf, bleiben aber bewusste Ausnahme oder fügen dem Spektrum eine andere Ausrichtung hinzu. Das wichtigste Gestaltungsmittel ist die unerwartete Materialkombination, manchmal so viele wie möglich an einem Outfit, aber auch die bekannten Genrestilmittel gilt es so radikal wie möglich aufzumischen. Mit diesen gezielten Experimenten liegt Rebekka Ruétz konsequent im saisonalen Spektrum und die vorgeführten Beispiele sorgen durchaus für viele Aha-Effekte. Inwieweit damit ein selbständige ästhetische Qualität erreicht wird, die einen überzeugenden Style trägt, fragt sich dabei aber auch – zumindestens wenn man eine geschmackssichere Handschrift erwartet.
In den Details mischen sich die Ansätze ebenfalls. Man merkt hier durchaus liebevollen Umgang mit Zitaten und Codes, modegeschichtlichen Apercus und handwerklichen Besonderheiten. Aber auch in dieser Hinsicht hat man den Eindruck, dass diese Qualitäten dem großen Überraschungsangriff untergeordnet sind und nur der geübte Blick diese angemessen mitrezipiert.
Mit Hard-Rock als Begleitmusik und festem Auftritt der Modelle suggeriert die Präsentation eine toughe Linie, die sich in den Formen nur sehr gemildert wiederfindet – sie spiegelt sich eher in der Radikalität der Kombinationen. Mondäne Kleiderschnitte schrumpfen dabei manchmal nur noch zum gestalterischen Zitat zusammen und werden dem neuen Kontext geopfert. Im Vergleich zu anderen Designern geht Rebekka Ruétz dabei sogar noch einen Schritt weiter: nicht nur, dass die Formgebung für alle Größen und Gestalten offen gehalten wird, sondern sogar für (fast) alle Generationen.
Inwieweit der lautstarke Ruf „Revolution“, den schon Marcel Ostertag zu verkünden suchte, tatsächlich die richtige Interpretation der jungen Start-Up-Generation ist, muss man erst einmal dahingestellt sein lassen, aber das Abenteuerliche der neuen Orientierung spiegelt die Rebekka-Ruétz-Kollektion zweifelsohne wider.