FW AW2018 Berlin, Botanischer Garten
Bilder: Andreas Hofrichter
Text: Gerhard Paproth
Vom kalten, unfreundlichen Berliner Regen ins warmfeuchte, tropische Gewächshaus zu treten ist ein gutes Ausgangsgefühl für eine Modenschau, die einen speziellen Blick auf die Natur zum gestalterischen Thema gemacht hat. Zumindest was die Motive der Prints betrifft, die Lena Hoschek für ihre Kleider verwendet hat.
Die österreichische Designerin hat offenbar „Florilegien“ des 17. Jahrhunderts studiert, Bücher mit Grafiken von Pflanzen, die nicht nur wissenschaftlich-botanische Zwecke verfolgten, sondern auch repräsentative für ihren Besitzer. Kostbar gemachte, extrem sorgfältige Deckfarbenzeichnungen auf Pergament mit farbigem Reichtum gaben darin die feine Textur der Blätter, Blüten und Stängel in natürlicher Größe und mit einer fast haptischen Wirkung wieder. Gelegentlich zu Arrangements zusammengefasst, wurden die Gräser-, Kräuter- und Blumendarstellungen zusätzlich belebt von Schmetterlingen, Käfern, Raupen und Vögeln, so dass die Abbildungen sich gleichzeitig den gemalten Stillleben annäherten, die im 16. und 17. Jahrhundert bekanntlich große Mode waren.
Die wertvollen Zeichnungen wurden umfangreich versammelt in den erwähnten, meist großen Büchern, die dem Wissen, praktischer Nutzung und der Erbauung zugleich dienten. Sie fanden auch in den folgenden Jahrhunderten ihre Liebhaber verschiedenster Provenienz und ihre Reproduktionen landeten darum eben nicht nur in Biologiebüchern und Apothekenkalendern, sondern auch als Wandschmuck bei wohlhabenden Leuten und, zum Beispiel in der Arts and Crafts – Bewegung, auch auf Tapeten, Porzellan und anderen Objekten der Designgeschichte. Sie wurden bis heute stets neu gewürdigt, in Büchern und Ausstellungen. Und Lena Hoschek hat sie nun begeistert für sich entdeckt.
Der Fundus ist überaus reich und bietet genug für die Designerin, um eine ganze Kleiderkollektion damit zu bestücken und zu beleben. Die pfiffige, oft raffinierte Verwendung applizierter Designs und Muster beherrscht die Wienerin ohnehin in allen möglichen Anwendungsvarianten, nur die bisherige explizite Orientierung an 50er und 60er Jahre Styling bricht sie damit in dieser Kollektion. Wie oft bei ihren Herbstkollektionen ist die Farbenfreude erheblich gedämpft. Die vielfältigen Retro-Schnitte und Silhouetten sind in eingeschränkter Weise zwar erhalten geblieben, aber lebensfrohe Sexiness ist nun sehr heruntergefahren und das Vergnügen am Experimentellen weitgehend eingeschränkt – gleichwohl ist der Hoschek-Style noch unverkennbar und variantenreich, stellenweise auch delikat. Aber so tritt der Touch des bürgerlichen Auftritts noch ein wenig bestimmender in der Gesamtgestaltung hervor als schon bisher, und die Rasanz, mit der Lena Hoschek einmal den Laufsteg okkupiert hatte, ist definitiv Geschichte. Das Besondere der Palmenhaus-Location und die gewohnt liebevolle Konzeption ihrer Défilés entschädigt aber im Erlebnis für so manches, was alte Hoschek-Fans inzwischen an Esprit schmerzlich vermissen. Man könnte auch sagen, die Kollektion ist erwachsener geworden.
