Dunkelmänner
FASH-Award 2015
im Neuen Museum Berlin
Bilder: Marcello Rubini
Text: Gerhard Paproth
Dass die Deutsche Bekleidungsindustrie sich die Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben hat, ist eigentlich ein marktwirtschaftlich sinnvolles Anliegen und sie hat darum eigens eine Stiftung dafür ins Leben gerufen, die seit nunmehr 10 Jahren Preise auslobt. Früher eher im Stillen, jetzt auch publikumswirksam – und dieses Jahr sogar mit weltweiter Ausschreibung. „Hohes handwerkliches und kreatives Niveau“ sind gefordert, „erkennbare Persönlichkeit“ und vieles mehr, weil (oder obwohl?) Mode jetzt als Teil der Unterhaltungsindustrie zu betrachten sei. Das Konzept müssen die Kandidaten auch verbal verteidigen, das ist nicht nur erkenntnisbringend bei der Einschätzung der Gestalterpersönlichkeit, sondern belegt auch geistige und konzeptuelle Klarheit.
Als zweiter Schritt konstruktiver Talentförderung ist eine ist eine ergänzende Talentbörse in München anvisiert.
Zu gewinnende Geldpreise (insgesamt 80.000 Euro) liegen zwischen 1000 und 2000 Euro, es gibt aber auch welche für 10.000 und dieses Jahr einen besonderen Preis, nämlich ein Praktikum bei Puma, den Julia Kleeblatt (wegen „außergewöhnlicher Gestaltung“) mit einer (vergleichsweise!) farbenfrohen und frischen Kollektion gewonnen hat.
Alle anderen Preisträger, die ihre Einreichungen ausgestellt haben, waren in der Farbenwahl dagegen zurückhaltend bis negierend.
Inmitten ägyptischer Reliefs über Kampf und Chaos präsentierten fünf Preisträger/innen (vorwiegend Studenten) ihre Gestaltungskonzepte:
Tomasz Szadel („PXL“) mit melierten (oder bedruckten) Stoffen in schwarz und weiß bzw. grau, die zumeist kontrastierend kombiniert wurden, woraus sich harmonische, aber durchaus lebendige Wechselspiele ergaben. Der Name der Kollektion „PXL“ scheint die Liebe zum Computerentwurf zu verraten, was aber hier keine zwingende Wahrnehmungskomponente sein muss. Die so entstehenden Grauwerte werden dann auch gegen monochromes Grau gesetzt oder Uni-Schwarz in sich durch aufgelöste Oberfläche verlebendigt. Ein überzeugendes Konzept im künstlerischen Experiment, wirkungsvoll und zurückhaltend in der differenzierenden Wirkung. Schlicht, klar, männlich.
Kai Gerhardt („The Black Rectangle“) stellt ebenfalls Ideen für Männerkleidung vor, allerdings komplett schwarz und ziemlich verschlossen. Wir fühlten uns sofort an Mönche und Düstermänner des Mittelalters erinnert, Kutten, Talare, Überwürfe, Kleidung, die Kindern Angst macht und Erwachsene auf Distanz hält. Konzeptuell sind die Sachen konsequent variiert, immerhin verzichtet der Designer auf Kapuzen und ähnlichen Schnickschnack dazu, so dass der Dunkelmann-Touch auf den zweiten Blick noch auf geschmacksbewusstem Niveau daherkommt.
Auch Lilly Bosse („wie fühlt sich die Spinne auf dem Herrenklo?“) hat sich ebenfalls vorwiegend schwarzer Männerkleidung verschrieben. Die streng geschnittenen Sachen werden allerdings durch kleine, eher verspielte Elemente etwas aufgebrochen, die Augen aber werden möglichst irgendwie verdeckt. Auch hier ein Versuch, die menschliche Distanz zugunsten eines etwas mythischen Auftritts herauszustellen.
Ulf Michael Brauner nutzt Assoziatives aus Nordafrika und Wüstenambiente. Er nutzt sehr gedeckte Farben, schwarzes Kopftuch, Kapuzen und ponchoartige Überwürfe, sowie vor zu starkem Licht schützende Sonnencaps. Neben den aufgetragenen Patterns, die an Pixelwelten erinnern, sind die farbigen, eher großflächigen Muster wieder streng und klar. Vorwiegend Männerkleidung wieder, getoppt von provokativ-grauenvollem Schuhwerk aus groben, braunen Ökofasern und grob besticktem Stoff.
Einziger Farbtupfer in der Mannequingesellschaft sind die Kleidungsstücke von Julia Kleeblatt, drei Grundfarben und Schwarz bzw. Anthrazit, in Verwaschungen die monochrome Wirkung changierend und die Farbkraft relativierend. Die Schnitte sind von Kittel-Design abgeleitet, das mit diversen Veränderungen und Variationen überall deutlich bleibt.
Abgesehen von Neigungen zu Unisex-Schnitten haben sich alle fünf Preisträger/innen auf Männermode konzentriert und liefern damit eine neue Sicht auf Männer und Männlichkeit der jungen Generation. Auffällig waren die religiös inspirierten Versatzstücke, wenn auch eher spielerisch, schwarz-dunkle Farbgebung, die die Träger hier zu Dunkelmännern macht, streng geometrische Schnitte, die zugleich auch auf computergenerierte Experimente schließen lassen. Von „gesellschaftlichen Utopien“ war in der Eröffnungsansprache die Rede und dem „Ausbruch aus der Gesellschaft“. Wenn man die sehr stimmig gemachten Kollektionen der Preisträger unter diesem Aspekt reflektiert, spielen Anmut, Lust am lockeren Spiel, Lebensfreude und Schönheit keine nennenswerte Rolle. (Da war selbst Punk vergleichsweise verspielt und lustvoll.) Und selbst wenn man den Protagonisten keine betonte gesellschaftskritische Position unterstellen will oder kann, ergibt sich aus diesem Bild dann doch ein durchaus interessanter Standpunkt.