Lviv Fashion Week SS15

LFW SS15

Text & Bilder: Boris Marberg

Im Zeitraum vom 3. bis zum 5. Oktober fand wieder die Fashionweek in der West-Ukrainischen Metropole Lviv satt und es bot sich die Gelegenheit rund zwanzig Kollektionen zu sehen, welche entweder als Modeschauen oder als reine Präsentationen gezeigt wurden.

Dieser allgemeine Bericht basiert auf dem Besuch dieser Schauen und Präsentationen, als auch auf einer Vielzahl von Hintergrundgesprächen mit Designern, den Veranstaltern und der regionalen wie auch nationalen Fachpresse. Über die Kollektionen werden wir, wie auch in den vergangenen Jahren jeweils separat in eigenständigen Artikeln berichten und hierzu auch die vielfältigen Informationen einfließen lassen, die wir aus jenen gewinnen konnten. Lviv (auf Deutsch Lemberg), liegt nur wenige Stunden auf der Autobahn von der polnischen Grenze entfernt und ist trotz Randlage in der Ukraine oft als Herz und Seele der Nation bezeichnet worden und in Bezug auf die ukrainische Sprache das kulturelle Zentrum. Gerade in diesen Monaten strahlt die Stadt sowohl eine gewisse Ruhe als auch einen grossen politischen und kulturellen Einfluss aus.
Nachdem die letzte Fashionweek in Lemberg im Mai stattfand und wegen der revolutionären Umbrüche im Frühjahr um knapp einen Monat verschoben wurde, muss man diese Saison unter sehr konträren Gesichtspunkten betrachten. Bereits im Vorfeld wurde Vorort unter den Organisatoren und Designern sehr intensiv diskutiert, ob man angesichts eines „Frozen Conflict“ im Osten des Landes mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen, offenem Terror gegen die Zivilbevölkerung und einem Wirtschaftskrieg mit Russland überhaupt eine Fashionweek ausrichten solle. Viele Argumente sprachen gegen die Ausrichtung der Veranstaltung. Das Spektrum geht hierbei von wirtschaftlichen Argumenten, über technische und logistische Aspekte hin zu einer sehr kritischen Haltung in Teilen der Bevölkerung. Teilweise waren die Organisatoren auch mit offener Ablehnung und Protest konfrontiert. Dies ist durchaus nachvollziehbar und auch in der Begründung konsistent, wenn man sich den gesellschaftlichen Status von Mode in der Ukraine in den vergangenen Jahren vor Auge führt. Hochwertige Mode, importiert, wie auch lokal und regional produziert ist ein Statussymbol, welches für Wohlstand steht und auch entsprechend instrumentalisiert und genutzt wird. Wohlhabende Kreise nuten Luxusgüter, die teilweise sehr offen und demonstrativ gezeigt werden um sich von der „normalen“ Bevölkerung abzugrenzen. Entsprechend gibt es einen recht dominanten Markt für Mode, die diesem repräsentativen Luxusbedürfnis zuarbeitet. Eine Kultur der Mode als Kunstform um Emotionalität auszudrücken oder die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation zu thematisieren ist deutlich weniger stark ausgeprägt als in westlichen europäischen Ländern. Entsprechend besteht viel Potential für Konflikte innerhalb der Branche, die teilweise zu grotesken Situationen bei Präsentationen führte. So präsentierte zum Beispiel das Label TATA KALITA in einer On-Model Präsentation im Rahmen des Veranstaltungsformates Le Box mit einer sehr emotionalen und bewegenden Ansprach durch die Designerin. Diese Kollektion ist von den aktuellen politischen Umwälzungen und dem offenen Leid im Osten des Landes inspiriert gewesen und sollte die Gefühle der Designerin ausdrücken. Leider konnte das lokale Publikum keine Empathie zu der Designerin und ihren Entwürfen aufbauen. Während diese noch in Tränen neben ihren Entwürfen stand, posierte das Publikum schon neben diesen Entwürfen für egozentrische Selbstbildnisse, (neudeutsch) Selfis um diese sogleich im Internet zu zeigen. Dies führte bei anderen Gästen zu Ärger und Frustration und bestätigte dieses Verhalten doch die Argumentation derjenigen, welche sich gegen die Durchführung dieser Fashionweek ausgesprochen hatten. Dies ist Wasser auf die Mühlen Kritiker, welche insgesamt angesichts der politischen und wirtschaftlichen Lage einem Publikum sehr ablehnend gegenüberstehen, die nur auf ihre Selbstdarstellung ausgerichtet sind.

Lviv Fashion Week SS15

TATA KALITA

Auf der anderen Seite ist die Fashion Week in Lviv die einzige Plattform gerade für junge Designer und Labels ihre Produkte überhaupt einem Publikum und der Fachpresse zu zeigen. Gerade um diesen Designer eine Möglichkeit zu bieten, hatte man sich dennoch dafür ausgesprochen, die Veranstaltungsreihe durchzuführen. Hier lag auch der Schwerpunkt, während nahezu alle etablierten Designer aus der Stadt, die auch international am Markt präsent sind fernblieben oder nur Konzeptstudien zeigten, die weit unter dem gewohnten Niveau geblieben sind. Die Veranstaltungen waren weitestgehende der Öffentlichkeit zugänglich, ohne Eintritt, oder wenn dann würden die Eintrittspreise für karitative Zwecke verwendet.

Lviv Fashion Week SS15

OZON

Ohne Frage stellt diese Saison die Branche in der Ukraine vor enorme Herausforderungen und ist eine Zession für den Veranstaltungsort in Lviv. So konnte nur in sehr bescheidenem Umfang das sonstige Publikum erreicht werden. Das nationale Fachpublikum und die Presse waren nur vereinzelt vertreten und internationale Presse und Fachpublikum fehlten völlig. Nur ein einziges Label aus dem Ausland – Halyna Sanko aus Weissrussland – fand sich im Programm wider. Teilweise ist diese der aktuellen Situation geschuldet. Die Erwartung einer repräsentativen internationalen Berichterstattung und einer nachhaltigen Aufwertung und einem Mehrwert für die Stadt, die Veranstaltung und die regionalen Designer zu erwirken haben sich leider nicht erfüllt. Dabei hat die Stadt, das Land, die lokalen Labels und vor allem die Menschen in Lviv sehr viel zu bieten – ihre Emotionalität und Gastfreundschaft ebenso wie ihren aktuellen Drang zu Wandel und Neuausrichtung der Politik und Gesellschaft. Auch wenn die Zukunft im Moment unklar ist und viele Unsicherheiten bereithält wünscht man sich für die Menschen der Ukraine nichts sehnlicher als Einheit, Friede und selbstbestimmte Entwicklung. Unter diesen Prämissen werden die kommenden Monate im Allgemeinen in der Ukraine und in Lviv sehr spannend.