Fashionweek aw 2013 – Anne Gorke
Bilder: Andreas Hofrichter und Marcello Rubini
Text: Gerhard Paproth
HIGH END ECO MEETS BAUHAUS – so lautet der hoch greifende Titel der Schau von der Newcomerin Anne Gorke aus Weimar, die dann aber doch eher schlicht und bodenständig daherkam. Wenn man Kilian Kerner, Sissi Goetze, Vladimir Karaleev als Beispiele für zukünftige Trends made in Germany bzw. Berlin nehmen will, passt die ebenfalls noch sehr junge Anne Gorke mit ihrer eigenwilligen Kombination von süß und derb durchaus in diese Riege und setzt sich gleichfalls ab von den eleganten Haut-Gout-Trends hierzulande wie z.B. bei Kretschmer und Tomaszewski aus Polen.
Anne Gorke will eigentlich keiner Genre-Festlegung in die Ökoschiene folgen, kontrollierte Herkunft des Materials findet sie zu Recht selbstverständlich und mit dem oft klischierten Öko-Geschmack haben ihre Kleider und Accessoires nichts gemein. Gelegentlich konventionell anmutende, aber oft feine, leicht wirkende und schimmernde Stoffe (gleichwohl klassisches Leinen und Baumwolle) verarbeitet sie mit ausgesprochen geradlinigen, schon geometrisch orientierten Designs zu lockeren und leichten Stücken, meist zwar tailliert aber mit recht unspektakulären Silhouetten. Die Röcke sind weder zu kurz noch zu bieder in der Länge, die bevorzugten Rundausschnitte der Blusen und Kleider glatt, klar und ohne akzentuierendes Raffinement. Brav. Verhaltene, aber nicht fade Farbgebung zwischen Schwarz, Champagne und blassem Lindgrün folgen diesem Gedanken des „Downtuning“ geschmackvoller Ambitionen.
Eine Mischung zwischen klarer Strenge und leichter Anmut gelingt damit, zugleich praktisch und optisch bewusst. Soweit der Auftrittsfaktor eins.
Auftrittsfaktor zwei bestimmt das Konzept unterhalb der Knie. Bewusst grobes Schuhwerk, das den Modellen auch einen leicht plumpen Gang und damit Auftritt aufzwingt, manchmal ganz flach aber mit festen Sohlen, manchmal auch mit sehr kompakten, matt-schwarzen Plateausohlen und dicken Nieten – bestimmt und akzentuierend wird die oben beschriebene Leichtigkeit gebrochen. Sogar das Abendkleid bekommt festes, ungalantes Schuhwerk verpasst, um das Abheben zu verhindern. Damit nicht genug, Socken, Nylonsöckchen (in Sandalen!), Nylonkniestrümpfe und anderes Strumpfwerk, das gegen die Regeln des guten Geschmacks entworfen und produziert wird, ergänzen die optisch gegenläufige Linie.
Ein sehr entschiedener Bruch, der zwar einerseits eingeschliffene Geschmacksnerven an den Rand des Zusammenbruchs führt, andererseits aber als eine Erwiderung auf konservative Zwänge gesehen werden kann. Weitaus lässiger, unkomplizierter und pragmatischer als die klassischen Punks der späten 70er agiert dieses jugendliche Statement in seiner ästhetischen Kombination von klar, handfest und locker – und kennzeichnet ein gegenwärtiges Mädchen- oder Junge-Frauen-Bild, wie es in der Berliner Szene auch anzutreffen ist. Dem entspricht auch die Begleitmusik, die ich zwar nicht genau zuordnen konnte, die aber stilistisch ziemlich treffend einem weiblichen Trend der Berliner Clubkultur folgt (Beispiel Monika-Label).
Anne Gorke ist eine freundliche, eher bescheidene, recht bodenständige Persönlichkeit, der ein provokatives Ansinnen nicht anzumerken oder zu unterstellen ist. Ganz wie bei Kerner oder Goetze scheint hier ein Selbstverständnis auf, das in seinem optisch/ästhetisch realisierten Ausdruck Sinnbild eines modernen Lifestyles ist. So gesehen war das eine geschmacklich nicht unbedingt erhebende, aber wirklich spannende Schau.