Reisebericht – Lviv / Ukraine Herbst 2012

Reisebericht – Lviv / Ukraine Herbst 2012

Text & Bilder: Boris Marberg

Im Rahmen unserer Berichterstattung über die Lviv Fashion Week konnten wir die Ukrainische Stadt besuchen und hatten neben den Modenschauen auch viel Zeit um durch die Stadt zu schlendern und viele Eindrücke zugewinnen.

Eigentlich hat dieser Bericht nicht viel mit dem zu tun, was wir sonst hier berichten. Allerdings werde ich sehr oft darauf angesprochen, wie man auf die Idee kommen kann in die Ukraine wegen Mode zu reisen und wie es dort so ist. Diesen Herbst war ich nun bereits zum vierten Mal in der Ukraine.

Reisebericht – Lviv / Ukraine Herbst 2012

Lviv ist auch als Lemberg hierzulande bekannt und hat eine sehr interessante, multikulturelle Geschichte. Die Stadt ist das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Westukraine, die nahezu deckungsgleich mit der osteuropäischen Region Galizien ist. In den letzten Jahrhunderten wechselte die Landeszugehörigkeit zwischen mehreren Staaten bis zur Unabhängigkeit der Ukraine 1991. So gehörte die Stadt mehrfach zu Polen und Österreich-Ungarn und war oft unter Fremdherrschaft. Die Stadt ist kulturell sehr durchmischt, was sich auch heute noch im Stadtbild zeigt. Offiziell hat die Stadt etwas mehr als 700.000 Einwohner, inoffiziell im Moment wohl knapp eine Million, da in der Ukraine eine sehr hohe Stadt-Land-Flucht herrscht und viele Menschen dort unangemeldet leben, was auch an einer sehr ausgewucherten Bürokratie und an Korruption liegt, die von den Einheimischen oft gar nicht als solche wahrgenommen wird aber selbst für Außenstehende mit unserem Rechtsgefühl allgegenwärtig ist, wenn auch in Galizien nicht ganz so massiv wie im Rest der Ukraine.

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Anreise:

Für die 4. Reise haben wir als Transportmittel das Flugzeug gewählt, was im Moment die schnellste, bequemste und teilweise auch kostengünstigste Möglichkeit ist, nach Lviv zu kommen. Aus Deutschland gibt es im Moment nur Direktflüge von Wizz Air ab Dortmund. Ansonsten fliegen täglich die Lufthansa und die Austrian über die Drehkreuze München beziehungsweise  Wien. Mit der diesjährigen Austragung der Fußball Europameisterschaft wurde auch in Lviv der neue internationale Flughafen in Betrieb genommen, der zwar nicht mehr den Charme sowjetischer Architektur versprüht, aber dafür wesentlich komfortabler ist und eine schneller Abfertigung gewährleistet. Für einen Hin- und Rückflug nach Lviv muss man mit etwa 250€ je nach Buchungstermin rechnen, wenn man nicht große Umwege haben möchte und nicht mit einem Lowcost Carrier reisen will. Im Vergleich zu meiner ersten Reise nach Lviv mit dem Bus, was mehr als 30 Stunden dauerte, ist das wirklich anzuraten. Es gibt auch noch die Möglichkeit mit dem Zug nach Lviv zu gelangen und im sehr schönen Hauptbahnhof dort anzukommen.

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Unterkunft & Verpflegung:

Lviv bietet mittlerweile eine ganze Reihe von ordentlichen Hotels, die noch teilweise günstige Zimmer offerieren. Daneben gibt es auch private Anbieter, die Ferienwohnungen vermieten.  Wir haben uns für ein gepflegtes Appartement aus privater Hand in der Innenstadt entschieden.  Eine Selbstversorgung ist sehr gut möglich, bietet sich aber wegen der sehr guten Gastronomie nicht zwingend an. In der Innenstadt finden sich zahlreiche Supermärkte die westeuropäischem Niveau nahekommen, aber auch mit Eigenarten aufwarten. Von einer Reihe von Geschäften, die biologische Lebensmittel auch für Vegetarier oder Veganer anbieten haben wir leider keine der uns auf den Weggegebenen Adressen gefunden. Allerdings kann man sich wenn man dies möchte sehr gut im Lebensmittelgeschäft in der Opera Passage schräg gegenüber der Oper gut mit Produkten aus der EU versorgen, auch Bio und Vegan mit kleinen Sortiment. Allerdings dann zu Preisen, die deutlich höher sind als in Deutschland. Lemberg hat eine ausgewiesene Caféhaustradition mit allem Drum und Dran. Kleine Röstereien, Schokoladenmanufakturen und Konditoreien finden sich an fast jeder Ecke, aber auch in den Vierten die an das Zentrum angrenzen. Wir sind deshalb zum Frühstück grundsätzlich ins Café. Viel der „In Gastronomie“ ist in der Hand von wenigen Magnaten die den Markt kontrollieren, wie auch die Clubszene des Nachtlebens. Gerade in dem Bereich hat Lemberg auch sehr viel zu bieten, ist aber teilweise sehr gewöhnungsbedürftig. Viele der Clubs sind um es gelinde zu sagen nicht gerade politisch korrekt und irritieren mit Stripclub SéparéeDas bringt natürlich auch immer wieder Diskussionen mit den Einheimischen auf die Tagesordnung – ein Stichwort hierzu sind die Frauenaktivistinnen vom Femen, die in Westeuropa wesentlich bekannter sind als in der Ukraine, wo diese vielfach auf Ablehnung stoßen, was sich nicht wirklich aus dem kulturellen Hintergrund der Stadt erklären lässt.

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St. Georgskathedrale

 

Kultur und Kunst:

Kulturell fällt dem Besucher sofort auf, dass die Stadt auch ein religiöses Zentrum im nahen Osteuropa ist mit einer Vielzahl von Kirchen unterschiedlichster Konfessionen. Die Bevölkerung in der Westukraine ist anders, wie in der übrigen Ukraine sehr religiös und konservativ geprägt. So fällt auch auf, dass politische Demonstrationen sich mit dem Zugang zu Kirchengebäuden und der Etablierung neuer Klöster beschäftigen, nicht aber trotz dem Wahlkampf der zur gleichen Zeit wie unser Besuch stattgefunden hat mit Themen die sich aus unserer Sicht geradezu aufdrängen.

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religiöse Demonstration

Prägend und Hauptanziehungspunkt für Touristen in Lviv ist die reichhaltige Architektur in der Innenstadt, die den besonderen Charme der Stadt ausmacht. Für Interessierte kann ich da den immer noch ausführlichsten Reiseführer „Lemberg Entdecken“ von Ania Klijanieko empfehlen, auch wenn dieser bei weitem nicht aktuell ist und oft auch Fehlinformationen in den jeweiligen Kapiteln hat und wenig hilfreiche Karten beinhaltet.

Galerien finden sich in der Innerstadt kaum bis gar nicht. Allerdings gibt es einige Märkte in den Straßen auf denen auch heimisches Kunsthandwerk angeboten wird. Zielgruppe sind dabei Touristen, weswegen es sich empfiehlt in Bezug auf Preisen und Qualität auf die Hilfe von befreundeten Einheimischen zurück zu greifen und sich vorher genau über die Ausfuhrbestimmungen bei der Ausreise zu informieren um nicht böse Überraschungen zu erleben. Dies gilt im Besondern für antiquarische Bücher, die auf dem Markt beim Pulverturm kaufen kann.

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Was ich auch sehr empfehlen kann ist der Besuch einer Opernaufführung. Lemberg hat eine sehr schöne klassische Oper mit einem opulent architektonischen Gebäude. Es war aber auch eine Herausforderung Karten zu besorgen. Ohne Helfer wäre der Versuch an der Sprachbarriere gescheitert. Weder ein Programm, noch Libretto sind in für Touristen naheliegenden Sprachen  erhältlich. Ein Buchungssystem, wie man es aus Westeuropa kennt gibt es nicht. Der Aufführung des Der Barbier von Sevilla von Gioachino Rossini konnte ich zumindest mit meinen Italienischkenntnissen sehr gut folgen, auch wenn trotz strengem Fotografieverbot diese permanent vom Blitzlicht aus dem Publikum gestört wurde, und ich meine wirklich permanent.

Umgebung:

Im Rahmend er Fashion Week die wir besuchten wurden auch ein paar der Schauen aus der Stadt herausverlegt. So reisten wir in die nahegelegenen Karpaten an die Ukrainisch-Slowenische Grenze, beziehungsweise im Grenzgebiet zu auch Polen. Die Region ist gerade im touristischen Aufbruch mit dem Fokus auf Wellness- und Wanderurlaub. So wurden wir in der Stadt Truskavets in einem erst im Sommer eröffneten Mirotel einquartiert (einer der Hauptsponsoren der Fashion Week). Zeit uns die Landschaft und die Stadt anzusehen hatten wir leider im engen zeitlichen Korsett leider nicht.

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Stadleben, Leute und Verkehr:

Was in der Innestadt neben der Toristenstöhmen (überwiegend aus Polen) auffällt ist, dass das die Lemberger auf in den Starssen sind und sich tummeln. Die Stadt ist sehr umtriebig und verfügt über ein enges Bus- und Tramnetz. Für unsere innerstädtischen Trips haben wir aber auch oft auf Taxis zurückgegriffen. Dabei ist der öffentliche Verkehr sehr preiswert. Ein Einzelfahrschein kostet zur Zeit 1,50 Hrywnja, was etwa 18 Cent entspricht. Und es empfiehlt sich nicht schwarz zu fahren, auch wenn die Straßenbahnen oft überfüllt sind, denn es wird in jeder Tram kontrolliert. Das Ticket löst man beim Fahrer. Dabei kann man auch sein Geld durch die Reihen zum Fahrer geben lassen und bekommt unter Garantie von den Mitfahrenden dann sein Ticket wieder durch den ganzen Wagen zurückgereicht. Abstempeln muss man es an den Entwertern.

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Sprachlich kommt man sehr gut mit den gastfreundlichen und hilfsbereiten mit Englisch in Kontakt, was vor allem sehr gut von jungen Leuten gesprochen wird. Lemberg ist auch ein Zentrum der akademischen Ausbildung mit Hochschulen zu allen Bereichen. Überall findet sich studentisches Leben auch abseits des Campus in Cafés und Kneipen. Die Menschen sind sehr interessiert und offen und es entwickeln sich schnelle Gespräche und Kontakte. Man fällt als Westeuropäer auch immer noch schnell auf, nicht nur wenn man orientierungslos irgendwo an einer Straßenecke mit dem Stadtplan kämpft. Viele Straßennamen in der Stadt sind sowohl in lateinischer Schrift, als auch auf Kyrillisch ausgeschildert. So richtig verläuft man sich nur dann, wenn man durch die Straßen schlendert und das Augenmerk auf die oft noch schön patinierten und detailreich ausgestalteten Fassaden der Bausubstanz aus den Gründerjahren und dem Jugendstil verliert, was uns doch recht oft passiert ist. Lemberg ist auch eine sehr grüne Stadt mit mehreren weitläufigen und gut gepflegten Parks, die zum Flanieren einladen und teilweise von Anhöhen schöne Aussichten auf die Innenstadt und die hügelige Umgebung bieten.

Weitere Impressionen:

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Universität Ivan-Franko

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Arsenal am Pulverturm mit Büchermarkt

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Schloss in Chmel’nyc’kyj-Park

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