LA MODE C’EST VOUS
(Streetshow Galeries Lafayette, Berlin, 14.09.2012)
Text : Gerhard Paproth
Bilder : Marcello Rubini
Ob Berlin eine Modestadt ist oder wird, darüber kann man trefflich streiten, aber das französische Kaufhaus Galeries Lafayette in der Friedrichstrasse hat immerhin mit der Veranstaltung „La mode c’est vous“ den unkomplizierten Beweis angetreten, dass man die Frage gut mit ja beantworten kann. Ein Aufruf des Hauses, jedermann könne seine Modevorstellungen auf dem Laufsteg selbst vorführen, hatte eine sehr große Zahl an Bewerbungen zur Folge und immerhin 200 Kandidaten aller Alters- und Gewichtsschichten durften das bei einer Veranstaltung auf der gesperrten Friedrichstrasse dann auch umsetzen. Mit Unterstützung von professionellem Hairstyling und Visagistik gelang eine durchaus imposante Modenschau.
Wir müssen gestehen, dass wir zwar neugierig, aber nicht so ganz zuversichtlich in die Veranstaltung gegangen sind, auch die Jury aus den Reihen der üblichen Verdächtigen aus dem Showbusiness für die Prämierung von fünf Siegern war nicht unbedingt vertrauenerweckend, dennoch – das Veranstaltungskonzept ging wunderbar auf. Im Gegenteil nämlich: Da tat sich ein lebendiger Bilderbogen auf, der beste Unterhaltung in Szene setzte. Eine Palette vielseitiger, geschmackvoller Kleidungskonzepte, von feiner Schlichtheit über rasante multikulturelle Verknüpfungen, Futuristischem oder Punkzitaten bis hin zu fantasievollen bzw. ziemlich sexy daherkommende Präsentationen, bestimmte die Show der 200. Ein fantastischer Pluralismus mit unglaublicher Vielfalt präsentierte sich da, sehr lebendig und frisch. Und damit zeigte die Veranstaltung eigentlich beweiskräftig, dass die kulturelle Qualität Berlins gerade in der ausgeprägten Vielfalt zu finden ist. Die vielen „Geschmacks- und Bekleidungs-Trends“, die hier in schnellster Folge eine abenteuerliche Revue zusammenstellten, können auch als stellvertretend für die vielen Szenen und Lebenskonzepte stehen, die in Berlin das Unverwechselbare und Eigentümliche der Stadt ausmachen.
Insofern, und das zeigen diese Bilder sicher deutlich, verdient Berlin sein Image sicher noch immer, auch wenn die vielen Zuzüge der letzten Jahre es zunehmend schwerer machen, diese Freiheit der Selbstkonzeption unbeschwert auszuleben.
Zwei kleine Randbeobachtungen zur Veranstaltung seien hier noch hinzugefügt. Wohl alle Teilnehmer waren erstmals im Leben „Model“. Es ist bemerkenswert, mit welcher Frische und Lebendigkeit und auch Überzeugungskraft die Auftritte absolviert wurden. Verglichen mit so vielen unendlich trübsinnigen, faden und gelangweilten Durchläufen der Profimodels auf der Fashionweek war das ein wunderbarer Genuss. Zweitens: Hier hat der Konsument gezeigt, was er/sie will, und das keineswegs fantasie- oder anspruchslos. In vielerlei Hinsicht was dies auch ein Lehrstück für viele Designer, die glauben zu wissen, was das Publikum will oder braucht, denn so manches hier war gestalterisch besser und zum Teil pfiffiger, als das, was viele (deutsche) Modemacher uns üblicherweise als vorbildliche Gestaltung vorführen. Und dabei, das kann man auch noch anmerken, zeigten überraschenderweise auch die Männer unter den 200, dass da mehr drin ist, als man üblicherweise so sieht.
Gediegene Chanel-Eleganz ist zweifellos nicht die Mode des Berliners, das wird sicher auch nicht so schnell kommen. Aber dieser frische und pfiffige Pluralismus, der hat bei dieser originellen Schau schon sehr überzeugt, und darum muss man dem Gespür und dem Mut der Galeries Lafayette ein großes Kompliment machen.
Den 200 Protagonisten natürlich auch, die waren eigentlich alle irgendwie wunderbar.